Maigret und die Unbekannte
versuchen, von ihr zu erfahren, wann und wo die Geldbeträge, die sie erhalten hat, abgeschickt worden sind. Ich bezweifle zwar, daß sie die Abschnitte aufgehoben hat, aber es besteht immerhin eine Chance, daß sie sich noch daran erinnert.«
Er unterbrach sich plötzlich.
»Hat Lognon noch nichts von sich hören lassen?«
»Sollte er anrufen?«
»Eigentlich ja. Verbinde mich doch mal mit seiner Wohnung.«
Madame Lognon war am Apparat.
»Ist Ihr Mann zu Hause?«
»Noch nicht. Wissen Sie immer noch nicht, wo er ist?«
Sie beunruhigte sich, und er begann sich ebenfalls zu beunruhigen.
»Ich nehme an«, sagte er, um sie zu trösten, »daß er sich außerhalb von Paris befindet, um dort Erkundigungen einzuholen.«
Er hatte das nur so hingesagt, mußte nun aber Madame Lognons Gejammer über sich ergehen lassen, daß man ihren Mann immer mit den undankbarsten und gefährlichsten Aufträgen betraue.
Konnte er ihr antworten, daß Lognon jedesmal, wenn er sich in eine schlimme Lage gebracht hatte, auf eigene Faust und gegen die ihm gegebenen Instruktionen gehandelt hatte?
Er wollte es so gern gutmachen, hatte ein solches Verlangen, sich auszuzeichnen, daß er sich stets kopfüber in etwas hineinstürzte, um endlich beweisen zu können, was er wert war.
Man erkannte seinen Wert durchaus an, nur er selber wußte das nicht.
Maigret rief das 2. Revier an, wo man aber auch noch nichts wieder von dem Pechvogel gehört hatte.
»Hat ihn niemand in der Nähe gesehen?«
»Es hat mir keiner etwas gesagt.«
Lucas, der einen Inspektor in die Rue de Clichy geschickt hatte, gab nebenan seine Telegramme telefonisch auf. Janvier stand im Türrahmen und wartete darauf, daß Maigret den Hörer wieder auflegte, um ihn um Instruktionen bitten zu können.
»Ich glaube, Kommissar Priollet möchte Sie sprechen. Er war vorhin hier, aber Sie waren nicht in Ihrem Büro.«
»Ich war oben.«
Maigret ging zu Priollet, der gerade einen Rauschgifthändler verhörte.
»Ich weiß nicht, ob dich das noch interessiert; vielleicht hast du die Information anderswo erhalten. Man hat mir heute morgen mitgeteilt, daß Janine Armenieu ziemlich lange in einer Wohnung in der Rue de Ponthieu gewohnt hat.«
»Hast du die Nummer?«
»Nein, es ist nicht weit von der Rue du Berry, und unten im Hause befindet sich ein Lokal.«
»Ich danke dir. Hast du nichts über Santoni ausfindig gemacht?«
»Nichts. Ich glaube nicht, daß man ihm irgend etwas vorwerfen kann, und er verlebt sicherlich herrliche Flitterwochen in Florenz.«
Janvier wartete noch immer in Maigrets Büro.
»Nimm Hut und Mantel.«
»Wohin gehen wir?«
»Zur Rue de Ponthieu.«
Wahrscheinlich würde er dort noch etwas mehr über die Tote erfahren. Sie beschäftigte ihn immer noch am meisten. Aber da war der verfluchte Lognon, der eine bedeutende Rolle zu spielen begann. Nur wußte man leider von dieser Rolle nichts.
»Der Mann, der gesagt hat: ›Bloß nicht so übereifrig!‹, hat, weiß der Teufel, recht gehabt«, brummte der Kommissar, während er seinen Mantel anzog.
Es war wenig wahrscheinlich, daß der Pechvogel nach wie vor in den Straßen herumlief und sich von einer Adresse zur anderen begab. Am Tage vorher um fünf Uhr hatte er, soweit man es beurteilen konnte – und bei ihm war das nicht leicht zu beurteilen –, noch keine bestimmte Spur verfolgt.
Er war zum Abendessen nach Hause gekommen und dann gleich wieder gegangen.
Bevor Maigret ging, blickte er noch einmal in das Büro der Inspektoren hinein.
»Einer soll für alle Fälle die Bahnhöfe anrufen und feststellen, ob Lognon nicht weggefahren ist.«
Um jemanden zu verfolgen, zum Beispiel. Das war durchaus möglich, und in diesem Fall hatte er vielleicht keine Gelegenheit gehabt, am Quai oder in seinem Büro anzurufen.
Aber in diesem Fall hatte er auch Informationen, die die anderen nicht hatten.
»Fahren wir jetzt, Chef?«
»Ja, wir fahren.«
Maigret, der mißgestimmt war, ließ den Wagen an der Place Dauphine halten, um dort mit Janvier einen Schnaps zu trinken.
Nein, er war wirklich nicht eifersüchtig auf Lognon. Wenn er den Mörder Luise Laboines entdeckte, um so besser. Wenn er ihn dingfest machte, bravo!
Aber verflucht noch mal, er hätte doch etwas von sich hören lassen können wie alle anderen!
SIEBENTES KAPITEL
Während Janvier in das Haus ging, um sich zu erkundigen, blieb Maigret, die Hände in den Taschen, am Rand des Bürgersteigs stehen und dachte, daß die Rue de Ponthieu
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