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Maigret und die Unbekannte

Maigret und die Unbekannte

Titel: Maigret und die Unbekannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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sie.‹
    Und tatsächlich stand darin so etwas wie:
    ›Marco Santoni von der bekannten Wermutfirma ist jeden Abend im Maxim mit einem entzückenden Mannequin, Janine Armenieu, zusammen.‹«
    Maigret blickte Janvier an, der es verstanden hatte. Vor einem Monat war Luise Laboine zum erstenmal in der Rue de Douai gewesen, um sich bei Mademoiselle Irene ein Abendkleid zu leihen. Hatte sie das nicht in der Absicht getan, sich ins Maxim zu begeben, um dort ihre Freundin zu treffen?
    »Wissen Sie nicht, ob sie sie gesehen hat?«
    »Sie hat sie nicht gesehen. Mademoiselle Janine war ein paar Tage später hier, und als ich sie danach gefragt habe, hat sie gelacht:
    ›Wir essen oft im Maxim, aber doch nicht jeden Abend. Außerdem bezweifle ich, daß man Luise überhaupt hereingelassen hätte.‹«
    »Haben Sie das alles dem Inspektor erzählt, der gestern abend hier war?« fragte Maigret.
    »Vielleicht nicht so ausführlich, denn vieles ist mir erst inzwischen wieder eingefallen.«
    »Haben Sie ihm sonst nichts gesagt?«
    Maigret versuchte herauszufinden, was von alldem Lognon auf eine Spur hatte führen können. Gestern abend um zehn Uhr hatte er hier in der Loge gesessen, und seitdem wußte man nichts von ihm.
    »Darf ich eben meinen Jungen ins Bett bringen?« Sie wusch ihm das Gesicht ab, zog ihn auf dem Tisch für die Nacht an und ging dann mit ihm in eine Art Alkoven, wo man sie liebevoll flüstern hörte.
    Als sie wiederkam, wirkte sie ein wenig besorgter. »Ich frage mich jetzt, ob das nicht durch meine Schuld passiert ist. Wenn diese Mädchen nicht aus allem ein Geheimnis machten, wäre alles soviel einfacher! Daß Mademoiselle Janine mir nicht ihre Adresse hinterlassen hat, um nicht von ihrer Freundin belästigt zu werden, das verstehe ich, aber Mademoiselle Luise hätte mir doch die ihre geben können.
    Vor vierzehn Tagen, vielleicht ist es auch schon etwas länger her, war ein Mann bei mir und hat mich gefragt, ob hier eine Luise Laboine wohne.
    Ich habe ihm geantwortet, nein, sie sei schon vor mehreren Monaten ausgezogen, aber sie lebe noch in Paris. Ich wisse ihre Adresse zwar nicht, sie suche mich jedoch hin und wieder auf.«
    »Was für ein Mann war das?«
    »Ein Ausländer. Nach seinem Akzent hielt ich ihn für einen Engländer oder Amerikaner. Er wirkte weder reich noch elegant. Ein kleiner, dürrer Mann, der, verzeihen Sie, ein wenig dem Inspektor von gestern ähnelte. Ich weiß nicht, warum er mich an einen Clown denken ließ.
    Er machte einen verzweifelten Eindruck und hat mich immer wieder gefragt, ob ich wohl glaube, daß sie bald wieder zu mir kommen werde.
    ›Vielleicht morgen, vielleicht in einem Monat‹, habe ich erwidert.
    ›Ich werde ihr einen Brief hierlassen.‹
    Er hat sich an den Tisch gesetzt, hat mich um Papier und einen Umschlag gebeten und hat den Brief mit Bleistift geschrieben.
    Ich habe ihn in ein leeres Fach gelegt und nicht mehr daran gedacht.
    Als er drei Tage später wiederkam, lag der Brief immer noch da, und der Mann war noch verzweifelter.
    ›Ich werde nicht mehr lange warten können‹, hat er zu mir gesagt. ›Ich muß bald fort.‹
    Ich habe ihn gefragt, ob es wichtig sei, und er hat geantwortet:
    ›Für sie ja. Sehr wichtig.‹
    Er hat den Brief wieder an sich genommen und hat einen anderen geschrieben, wobei er sich diesmal viel Zeit nahm, als ob er einen Entschluß fassen müsse. Schließlich hat er ihn mir seufzend gegeben.«
    »Haben Sie ihn nicht wiedergesehen?«
    »Nur noch einmal am nächsten Tage. Drei Tage später hat mich Mademoiselle Janine besucht. An dem Nachmittag hat sie mir sehr aufgeregt berichtet: ›Sie werden bald von mir in den Zeitungen lesen.‹ Sie hatte Einkäufe im Viertel gemacht und war mit kleinen Paketen beladen, die aus den besten Geschäften stammten.
    Ich habe ihr von dem Brief für Mademoiselle Luise und den Besuchen des dürren Mannes erzählt.
    ›Wenn ich nur wüßte, wo ich sie finden könnte…‹ Sie hat nachgedacht.
    ›Vielleicht geben Sie den Brief am besten mir‹, hat sie schließlich gesagt. ›Wie ich Luise kenne, wird sie zu mir kommen, sobald sie aus den Zeitungen erfährt, wo ich wohne…‹
    Ich habe gezögert. Aber dann habe ich mir gesagt, sie hat zweifellos recht.«
    »Haben Sie ihr den Brief gegeben?«
    »Ja. Sie hat den Umschlag betrachtet und den Brief in ihre Handtasche gesteckt. Als sie schon gehen wollte, hat sie zu mir gesagt:
    ›Sie werden jetzt bald Ihr Geschenk bekommen, Madame Marcelle!‹«
    Maigret

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