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Maigret und Monsieur Charles

Maigret und Monsieur Charles

Titel: Maigret und Monsieur Charles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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nichts?«
    »Doch. Ein Scheckheft.«
    »Ebenfalls auf den Namen Sabin-Levesque?«
    »Ja.«
    Maigret warf flüchtige Blicke auf die nasse, aufgeweichte Gestalt, die auf dem Pflaster lag. Sich ihr zu nähern, kostete ihn einige Selbstüberwindung, so wie es ihm in derartigen Fällen immer erging. Der aufgedunsene Leib sah aus wie ein zu voller Weinschlauch. Der Brustkorb war aufgeplatzt, und widerlich weiße Eingeweide quollen daraus hervor. Was das Gesicht betraf, das hatte fast nichts Menschliches mehr.
    »Lapointe! Ruf Lecureur an, er soll sofort herkommen...«
    Nathalie konnte er einen solchen Anblick nicht zumuten.
    »Wo ist der Schiffer?«
    Mit starkem flämischen Akzent antwortete dieser:
    »Hier bin ich, Herr Polizist!«
    »Liegen Sie schon lange an dieser Stelle vor Anker?«
    »Über vierzehn Tage, jawohl. Ich hatte vor, nur zwei Tage zu bleiben, um meine Ziegelsteine auszuladen, aber mein Motor ist krepiert. Die Mechaniker sind gekommen, um ihn zu reparieren. Das hat seine Zeit gebraucht. Heute Morgen sind sie fertig geworden...« Seine Frau, die flachsfarbenes Haar hatte, stand mit einem blonden Säugling auf dem Arm neben ihm, aber sie schien kein Französisch zu verstehen und sah leicht beunruhigt von einem zum anderen. »Gegen drei Uhr wollte ich den Motor selbst ausprobieren, denn ich habe vor, morgen eine Ladung Wein in Bercy zu übernehmen und dann nach Belgien zu fahren. Ich bemerkte einen Widerstand, und als der Motor anlief, stieg auf einmal die Leiche da an die Oberfläche. Sie muss am Anker oder an der Schraube gehangen haben, das erklärt auch, warum sie ganz zerfetzt ist. Was ich aber auch für ein Pech habe, nicht wahr, Monsieur.«
    Der Stellvertreter des Staatsanwalts, der nicht älter als dreißig war, hieß Oron. Er war sehr elegant, sehr distinguiert.
    »Wer ist es?« fragte er, nachdem er Maigret die Hand gedrückt hatte.
    »Ein Mann, der seit über einem Monat verschwunden ist, Sabin-Levesque, ein Notar vom Boulevard Saint-Germain...«
    »Hat er die Kasse mitgenommen?«
    »Sieht nicht so aus.«
    »Hatte er Gründe, Selbstmord zu begehen?«
    »Das glaube ich nicht. Die letzte, die ihn gesehen hat, ist eine Animierdame aus einem Nachtclub...«
    »Könnte er ermordet worden sein?«
    »Das ist wahrscheinlich.«
    »Hier?«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihn jemand lebend über die Seineböschung hätte schleppen können. Er war ja nicht dumm... Salut, Grenier... Ich habe Drecksarbeit für euch...«
    »Ich seh’s...«
    Grenier war einer der neuen Gerichtsärzte.
    »Für mich ist hier nichts zu tun. Den Tod festzustellen wäre lächerlich, der ist ziemlich offensichtlich.«
    Ein Leichenwagen des gerichtsmedizinischen Instituts war herangefahren, aber zunächst mussten die Fotografen des Erkennungsdienstes ihre Arbeit tun. Bald traf auch der Kanzleileiter ein und kam die Steintreppe zum Ladequai herabgestiegen.
    Maigret deutete auf die formlose Masse, die einen widerwärtigen Gestank verströmte.
    »Schauen Sie, ob er es wirklich ist...«
    Der Kanzleileiter näherte sich nur zögernd. Er war wie erstarrt und hielt sich ein Taschentuch vor Nase und Mund.
    »Er ist es«, verkündete er.
    »Woran erkennen Sie ihn?«
    »Am Gesicht. So entstellt es auch ist, er ist es. Glauben Sie, dass er sich ins Wasser gestürzt hat?«
    »Warum sollte er das tun?«
    Lecureur wich zurück und hielt sich möglichst weit von der Leiche entfernt.
    »Ich weiß nicht. Eine Menge Leute stürzen sich ins Wasser...«
    »Ich habe seine Brieftasche und sein Scheckheft...«
    »Ich habe ihn also richtig identifiziert...«
    »Für morgen früh muss ich Sie zum Quai des Orfevres bestellen, damit Sie Ihre Aussage unterschreiben ...«
    »Um wieviel Uhr?«
    »Um neun. Haben Sie ein Taxi?«
    »Vito kam gerade zurück... Ich habe ihn gebeten, mich herzufahren... Er ist mit dem Fiat am Quai...«
    »Ich werde die Gelegenheit ebenfalls nutzen... Kommst du, Lapointe?« Er ging auf den Gerichtsarzt zu, den einzigen, dem die Leiche nichts auszumachen schien. »Können Sie mir heute Abend schon sagen, ob er umgebracht worden ist, bevor er ins Wasser geworfen wurde?« »Ich will’s versuchen... Wird nicht leicht sein, bei dem Zustand, in dem er sich befindet...«
    Die drei Männer schoben sich durch die Menge der Neugierigen. Jef Van Roeten lief hinter Maigret her.
    »Sie sind der Chef, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Kann ich morgen früh ablegen? Ich habe alles gesagt, was ich weiß...«
    »Sie gehen zuerst beim Kommissariat vorbei,

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