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Maigret und Monsieur Charles

Maigret und Monsieur Charles

Titel: Maigret und Monsieur Charles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Schlüssel auf oder seine Frau? Und wenn er es war, wann hatte sie ihn entwendet?
    Er ging in das kleine Büro des Notars hinüber und setzte sich in einen bequemen Ledersessel.
    »Haben Sie die Absicht, länger hierzubleiben?«
    »Bis Ihre Herrin zurückkommt.«
    »Sie wird nicht erfreut sein.«
    »Warum?«
    »Weil Sie kein Recht haben, sich in ihrer Abwesenheit hier aufzuhalten.«
    »Sie sind ihr sehr ergeben, nicht wahr?«
    »Warum sollte ich es nicht sein?«
    »Ist sie nett zu Ihnen?« »Manchmal ist sie sehr unangenehm, ungerecht und aggressiv, aber ich bin ihr deswegen nicht böse.«
    »Halten Sie sie für unzurechnungsfähig?«
    »In solchen Augenblicken, ja...«
    »Glauben Sie, dass sie krank ist?«
    »Sie kann nichts dafür, wenn man ihr nichts anderes gelassen hat als die Flucht in den Alkohol.«
    »Wenn sie von Ihnen verlangen würde, ihr zuliebe eine Falschaussage zu machen, wären Sie dazu bereit?«
    »Ohne Zögern.«
    »Muss nicht gerade angenehm sein, wenn sie abends ins Bett kotzt...«
    »Eine Krankenschwester bekommt noch ganz andere Dinge zu sehen.«
    Maigret hatte den Eindruck, als höre er Geräusche von der Eingangstür her. Er rührte sich jedoch nicht, und die Zofe schien nichts gehört zu haben.
    »Was würden Sie sagen, wenn ich zu schreien anfinge und Sie beschuldigen würde, Sie hätten versucht, mich zu vergewaltigen?«
    Der Kommissar konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
    »Einen Versuch wäre es wert... Probieren Sie es doch...«
    Sie zuckte die Schultern und ging davon in Richtung des großen Salons und des anderen Flügels. Sie kehrte nicht zurück; wer da mit unsicherem Schritt quer durch den Salon kam, war Nathalie.
    Sie war totenbleich, mit dunklen Ringen unter den Augen, und das Lippenrot stach umso greller hervor, wie eine Wunde. Als sie durch die Tür trat, wäre sie beinahe gefallen, und Maigret sprang auf, um ihr zu Hilfe zu kommen.
    »Machen Sie sich keine Sorgen um mich. Ich kann mich noch aufrecht halten...«
    Sie ließ sich in den Sessel fallen, der das Gegenstück zu dem des Kommissars war. Mit einer Art Entsetzen sah sie ihn an.
    »Wer hat Ihnen gesagt...«
    Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie die Worte, die ihr entschlüpft waren, wieder wegwischen.
    »Drücken Sie auf den Knopf neben der Salontür.«
    Er tat es. Der Knopf musste eine Glocke im Büro in Gang setzen.
    »Heiß ist es...«
    Ohne aufzustehen, zog sie ihre braune Tweedjacke aus.
    »Ist Ihnen denn nicht heiß?«
    »Im Augenblick nicht. Sie sind sicher zu schnell gelaufen.«
    »Woher wissen Sie, dass ich gelaufen bin?«
    »Weil Sie wussten, dass ich den Fahrer Ihres Taxis ausfindig gemacht und auf diese Weise erfahren hätte, wo Sie gewesen sind...«
    Sie starrte ihn an wie aus allen Wolken gefallen. Man hätte meinen können, sie sei nicht ganz bei Sinnen.
    »Sie sind klug..., aber Sie sind boshaft...«
    Selten hatte er eine Frau in solcher Seelennot, in einem solchen Zustand der Zerrüttung gesehen. Claire wusste, warum sie gerufen worden war, denn sie brachte ein Tablett mit einer Flasche Cognac, einem Glas und einer Schachtel Zigaretten... Sie füllte selbst das Glas und reichte es ihrer Herrin, die es beinahe verschüttete ...
    »Ihnen brauche ich keinen anbieten, oder? Sie sind ja noch kein Alkoholiker...«
    Sie hatte Mühe, das Wort auszusprechen und sagte es ein zweites Mal.
    »Hat Ihnen Ihr Arzt nie geraten, eine Entziehungskur zu machen?«
    »Ach der! Wenn ich auf den hören würde, wäre ich schon längst in einer psychiatrischen Klinik... Das hätte meinem Mann gerade gepasst... Da sehen Sie, wie unberechenbar das Leben ist...«
    Sie hielt plötzlich inne, als hätte sie den Faden verloren ...
    »Unberechenbar... unberechenbar...«, wiederholte sie, mit verlorenem Blick. »Ach ja, das Leben. Jetzt ist mein Mann tot, und ich lebe...«
    Sie blickte um sich, wandte sich zum großen Salon. Ihr Gesicht drückte auf einmal eine gewisse Zufriedenheit aus. Wieder trank sie. Dann sagte sie in einem Ton, der nichts Freudiges hatte:
    »Das gehört mir.«
    Er erwartete, sie zu Boden fallen zu sehen, doch bei aller Trunkenheit bewahrte sie noch einen gewissen Sinn für die Wirklichkeit.
    »Ich bin nie hierhergekommen...«
    Jetzt betrachtete sie die Wände des Büros.
    »Er hielt sich nur zum Lesen hier auf.«
    »Erinnern Sie sich an Chez Mademoiselle ?«
    Sie zuckte zusammen, und ihr Blick wurde wieder hart.
    »Was haben Sie gesagt?«
    »Madame Blanche, die Besitzerin von Chez Mademoiselle...«
    »Wer hat

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