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Maigret und Pietr der Lette

Maigret und Pietr der Lette

Titel: Maigret und Pietr der Lette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Gorskin schrie:
    »Raus! … Sie haben nicht das Recht …«
    Aber er hob kaltblütig den Trenchcoat auf, den er kannte. Er schien etwas anderes zu suchen. Er entdeckte am Fußende des Bettes die graue Hose von Fedor Jurowitsch. Herrenschuhe waren in dem Zimmer jedoch nicht zu sehen.
    Die Gorskin zog ihren Morgenrock über und blickte ihn wütend an.
    »Sie glauben wohl, weil wir Ausländer sind …«
    Er ließ ihr nicht die Zeit zu einem Zornausbruch. Ruhig verließ er das Zimmer und schloß die Tür hinter sich, die sie wieder öffnete, als er eine Treppe tiefer war. Keuchend, aber wortlos stand sie auf dem Treppenabsatz. Über das Geländer gebeugt, folgte sie ihm mit den Augen. Und plötzlich hielt es sie nicht länger. Mit dem dringenden Verlangen, doch noch etwas zu tun, spuckte sie ihm nach.
    Wenige Zentimeter neben dem Kommissar klatschte der Speichel dumpf auf den Boden.
    »Na und? …« fragte Inspektor Dufour seinen Chef.
    »Du überwachst die Frau … Die kann sich nicht als Greis verkleiden …«
    »Wollen Sie damit sagen, daß …?«
    Aber nein! Er wollte überhaupt nichts sagen! Ihm war nicht danach, sich in eine Diskussion einzulassen. Er stieg wieder in sein Taxi.
    »Zum Majestic …«
    Niedergeschlagen und gedemütigt, sah ihn der Inspektor davonfahren.
    »Tu, was du kannst!« rief ihm Maigret noch nach.
    Ihm lag nicht daran, seinem Kollegen Kummer zu bereiten. Wenn Dufour sich hatte überlisten lassen, war es nicht sein Fehler. Und hatte er, Maigret, nicht zugelassen, daß Torrence ermordet wurde?
     
    Der Geschäftsführer erwartete ihn am Eingang, was etwas ganz Neues war.
    »Endlich! … Sie werden verstehen … Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll … Man hat Ihren … Ihren Freund abgeholt … Man hat mir versichert, daß die Zeitungen nichts darüber bringen werden … Aber ›der andere‹ ist da … Er ist hier!«
    »Hat ihn jemand zurückkommen sehen?«
    »Kein Mensch! … Das ist es ja! … Hören Sie! … Wie ich Ihnen schon am Telefon sagte, hat er geläutet … Und als der Kellner kam, hat er seinen Kaffee verlangt … Er lag im Bett …«
    »Mortimer? …«
    »Sie glauben, daß da ein Zusammenhang besteht? … Das ist ausgeschlossen! … Er ist ein bekannter Mann … Minister und Bankiers haben ihn hier aufgesucht …«
    »Was macht Oppenheim?«
    »Er hat ein Bad genommen … Ich glaube, er zieht sich an …«
    »Und Mortimer?«
    »Die Mortimers haben noch nicht geklingelt … Sie schlafen …«
    »Geben Sie mir eine Personenbeschreibung von Pepito Moretto.«
    »Ja … Man hat mir erzählt … Persönlich habe ich ihn nie gesehen … Ich meine, bewußt … Wir haben soviel Personal … Aber ich habe mich informiert … Ein kleiner Mann, dunkle Haut, schwarzes Haar, untersetzt, sprach tagelang kein Wort …«
    Maigret schrieb diese Angaben auf ein loses Blatt Papier, steckte es in einen Umschlag und adressierte ihn an seinen Chef. Zusammen mit den Fingerabdrücken, die man sicher in dem Zimmer abgenommen hat, in dem Torrence ermordet wurde, würde das genügen.
    »Lassen Sie das zum Präsidium bringen …«
    »Ja, Herr Kommissar …«
    Der Geschäftsführer wurde immer ergebener, denn er spürte, daß die Ereignisse katastrophale Ausmaße anzunehmen drohten.
    »Was werden Sie machen?«
    Aber der Kommissar entfernte sich bereits linkisch und ungeschickt und stellte sich mitten in der Halle hin wie die Besucher alter Kirchen, wenn sie ohne die Hilfe des Küsters zu erraten versuchen, was es dort Sehenswertes gibt.
     
    Ein Sonnenstrahl fiel herein, und die Halle des Majestic war in Gold getaucht.
    Um neun Uhr morgens war diese Halle fast leer. Die wenigen Frühstücksgäste saßen vereinzelt an ihren Tischen und lasen Zeitung.
    Maigret ließ sich schließlich in der Nähe des Springbrunnens, der aus irgendeinem Grund an diesem Tag nicht funktionierte, in einen Korbsessel fallen. Die Goldfische in dem Keramikbecken bewegten sich nicht, nur ihre Mäuler öffneten und schlossen sich immer wieder.
    Das erinnerte den Kommissar an den geöffneten Mund von Torrence. Er mußte tief beeindruckt davon sein, denn er rutschte lange hin und her, bevor er eine Haltung gefunden hatte, die ihm behagte.
    Nur wenige Hotelangestellte liefen umher. Maigret folgte ihnen mit den Augen und war sich bewußt, daß jeden Augenblick ein Schuß fallen konnte. Insofern hatte sich die Lage zugespitzt.
    Daß Maigret die Identität Oppenheims, alias Pietr, des Letten, aufgedeckt hatte, zog keine Folgen nach sich;

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