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Maigret und Pietr der Lette

Maigret und Pietr der Lette

Titel: Maigret und Pietr der Lette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Deine Mutter möchte gern wissen, ob Deine Fesseln noch anschwellen, wenn Du viel gelaufen bist, denn sie glaubt, daß Du die gleiche Krankheit hast wie sie … Wir sind jetzt etwas beruhigt, obwohl die Frage mit Wilna noch nicht geklärt ist. Wir sitzen hier zwischen Litauern und Polen … Die einen wie die anderen können die Juden nicht leiden …
    Könntest Du Erkundigungen über Herrn Levassor, Rue d’Hauteville 65, einziehen, der bei mir Felle bestellt hat, aber keine Bankreferenzen nachweist? …
    Wenn Du Dein Studium beendet hast, wirst Du heiraten und Dich ums Geschäft kümmern müssen. Deine Mutter ist zu nichts mehr nutze …
    Deine Mutter sitzt nur noch in ihrem Sessel … Sie wird immer unerträglicher … Du solltest zurückkommen …
    Der Sohn von Goldsteins, der vor vierzehn Tagen heimgekehrt ist, sagt, Du seist nicht an der Pariser Universität eingeschrieben. Ich habe geantwortet, daß das nicht stimmt und …
    Deine Mutter mußte punktiert werden und …
    Man hat Dich in Paris in Gesellschaft von Leuten gesehen, die nicht zu Dir passen. Ich möchte wissen, was daran wahr ist …
    Ich bekomme wieder schlechte Auskünfte über Dich. Sobald es das Geschäft erlaubt, werde ich mich selbst überzeugen … .
    Wäre nicht Deine Mutter, die nicht allein bleiben kann und die der Arzt aufgegeben hat, käme ich Dich sofort holen. Ich befehle Dir, zurückzukommen …
    Ich lasse Dir fünfhundert Zloty für das Fahrgeld überweisen …
    Wenn Du in vier Wochen nicht hier bist, verfluche ich Dich …‹
    Dann wieder die Beine der Mutter. Dann der Bericht eines jüdischen Studenten, der nach Wilna zurückgekehrt ist, über das Leben des jungen Mädchens in Paris.
    ›Wenn Du nicht sofort zurückkommst, ist es aus zwischen uns …‹
    Schließlich ein letzter Brief.
    ›Wie kannst Du seit einem Jahr dort leben, während ich Dir kein Geld schicke? Deine Mutter ist sehr unglücklich. Und sie macht mich für alles verantwortlich, was noch kommt …‹
    Der Kommissar lächelte kein einziges Mal. Er verschloß die Dokumente in seiner Schublade, gab einige Telegramme auf und begab sich zum Untersuchungsgefängnis.
    Anna Gorskin hatte die Nacht im Gemeinschaftsraum verbracht. Aber dann hatte der Kommissar angeordnet, sie in eine Einzelzelle zu sperren, deren Türklappe er jetzt öffnete. Anna Gorskin saß auf ihrem Schemel und zuckte nicht zusammen, sie wandte langsam den Kopf zur Tür und blickte ihren Besucher mit verächtlicher Miene scharf an.
    Er trat ein, beobachtete sie eine Weile wortlos. Er wußte, daß es zwecklos war, eine List anzuwenden oder Fangfragen zu stellen, die manchmal ein ungewolltes Geständnis entlocken konnten. Sie war zu kaltblütig, um in solche Fallen zu gehen, und Maigret würde dabei nur sein Ansehen verlieren. So brummelte er lediglich:
    »Gestehst Du?«
    »Nichts!«
    »Du leugnest immer noch, Mortimer getötet zu haben?«
    »Ich leugne es!«
    »Du leugnest, für deinen Komplizen einen grauen Anzug gekauft zu haben?«
    »Ich leugne es!«
    »Du leugnest, ihn zusammen mit einem Brief, in dem du ihm ankündigst, Mortimer zu töten, und dich mit ihm verabredest, in sein Zimmer im Majestic geschickt zu haben?«
    »Ich leugne es!«
    »Was hast du im Majestic gemacht?«
    »Ich suchte das Zimmer von Frau Goldstein.«
    »Es gibt keinen Gast dieses Namens in dem Hotel.«
    »Das wußte ich nicht …«
    »Und warum wolltest du mit einem Revolver in der Hand weglaufen, als ich ankam?«
    »Im Flur der ersten Etage habe ich einen Mann gesehen, der auf einen anderen schoß, dann aber seine Waffe fallen ließ. Ich habe sie aufgehoben, weil ich Angst hatte, daß er sie auf mich richtet. Ich bin gelaufen, um das Personal zu benachrichtigen …«
    »Hast du Mortimer jemals gesehen?«
    »Nein …«
    »Aber er ist doch im Hotel Roi de Sicile gewesen.«
    »Dort wohnen immerhin sechzig Mieter.«
    »Du kennst weder Pietr, den Letten, noch Oppenheim?«
    »Nein …«
    »Das kann nicht sein!«
    »Das ist mir egal!«
    »Man wird den Verkäufer ausfindig machen, der dir den grauen Anzug verkauft hat.«
    »Soll er kommen!«
    »Ich habe deinen Vater in Wilna benachrichtigt …«
    Zum erstenmal zuckte sie zusammen. Aber gleich darauf grinste sie höhnisch.
    »Wenn Sie wollen, daß er sich herbemüht, schicken Sie ihm auch das Fahrgeld, sonst …«
    Maigret ließ sich nicht aus der Ruhe bringen; er schaute sie neugierig, aber nicht ohne eine gewisse Sympathie an. Denn sie hatte Schneid!
    Auf den ersten Blick war ihre

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