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Maigret und Pietr der Lette

Maigret und Pietr der Lette

Titel: Maigret und Pietr der Lette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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eine unförmige Masse unter der häßlich-grauen Baumwolldecke.
    Und diese Masse wurde von rhythmischen Stößen erschüttert. Hörte man genau hin, vernahm man ersticktes Schluchzen.
    Maigret ging lautlos hinaus, schloß die Tür, und nachdem er an dem Wärter vorbei noch etwa zehn Meter zurückgelegt hatte, kehrte er um.
    »Lassen Sie ihr die Mahlzeiten aus der Brasserie Dauphine bringen!« sagte er schnell in mürrischem Ton.

15
    Zwei Telegramme
     
    Maigret las sie mit lauter Stimme dem Untersuchungsrichter Coméliau vor, der sich verärgert zeigte.
    Das erste war die Antwort von Mrs. Mortimer-Levingston auf das Telegramm, das ihr die Ermordung ihres Mannes mitteilte.
     
    Berlin. Hotel Modern. Krank, hohes Fieber, Kommen unmöglich. Stones wird das Notwendige erledigen.
     
    Maigret lächelte bitter.
    »Begreifen Sie? Hier ist dagegen das Telegramm aus der Wilhelmstraße. Es ist in ›Polcode‹ abgefaßt. Ich übersetze:
     
    Ankunft Mrs. Mortimer per Flugzeug, abgestiegen Hotel Modern, Berlin, wo sie nach der Rückkehr aus dem Theater Pariser Depesche vorfand. Hat sich ins Bett gelegt und den amerikanischen Arzt Felgrad kommen lassen. Doktor verschanzt sich hinter Berufsgeheimnis. Soll Amtsarzt hingeschickt werden? Hotelpersonal hat keine Krankheitssymptome bemerkt.
     
    Wie Sie sehen, Herr Coméliau, legt diese Dame keinen Wert darauf, von der französischen Polizei verhört zu werden. Wohlbemerkt, ich behaupte nicht, daß sie die Komplizin ihres Mannes ist. Im Gegenteil. Ich bin überzeugt, daß er ihr neunundneunzig Prozent seiner Machenschaften verheimlicht hat. Mortimer war nicht der Mann, der sich einer Frau anvertraut, schon gar nicht seiner eigenen. Aber auf ihr Konto geht zumindest die Nachricht, die sie eines Abends im Pickwick’s einem Eintänzer überbracht hat, den das Gerichtsmedizinische Institut mittlerweile eingefroren hat … Vielleicht das einzige Mal, daß sich Mortimer unter dem Zwang der Umstände ihrer bedient hat …«
    »Und Stones?« fragte der Richter.
    »Persönlicher Sekretär Mortimers. Er stellte die Verbindung zwischen dem Chef und den verschiedenen Unternehmungen her. Zum Zeitpunkt des Verbrechens war er seit acht Tagen in London. Abgestiegen im Hotel Victoria. Ich habe dafür gesorgt, daß er nichts erfährt. Aber ich habe mit Scotland Yard telefoniert, damit man ihn überwacht. Hinzuzufügen wäre noch, daß Mortimers Tod in England noch nicht bekannt war, als die englische Polizei im Victoria vorstellig wurde, es sei denn in den Zeitungsredaktionen. Dennoch war der Vogel ausgeflogen. Stones hatte sich wenige Augenblicke vor dem Eintreffen der Inspektoren aus dem Staube gemacht …«
    Der Richter warf einen finsteren Blick auf den Stapel von Briefen und Telegrammen, die sich auf seinem Schreibtisch häuften.
    Der Tod eines Milliardärs ist ein Ereignis, das Tausende von Menschen erschüttert. Und die Tatsache, daß Mortimer eines gewaltsamen Todes gestorben war, alarmierte alle, die in geschäftlicher Verbindung mit ihm standen.
    »Finden Sie, wir sollten das Gerücht von einem Verbrechen aus Leidenschaft in die Welt setzen?« fragte Coméliau ohne rechte Überzeugung.
    »Ich halte das für klug. Andernfalls verursachen Sie zunächst einmal einen Börsenkrach und ruinieren eine Reihe angesehener Unternehmen, angefangen bei den französischen Firmen, die Mortimer kürzlich wieder flottgemacht hat.«
    »Sicherlich, aber …«
    »Passen Sie auf! Die Botschaft der Vereinigten Staaten wird Beweise von Ihnen verlangen … Und Sie haben keine! … Ich auch nicht …«
    Der Richter putzte seine Brillengläser.
    »So daß …?«
    »Nichts! … Ich warte auf Nachricht von Dufour, der seit gestern in Fécamp ist … Ordnen Sie für Mortimer ein schönes Begräbnis an … Was spielt das schon für eine Rolle? … Es wird Reden, offizielle Delegationen geben.«
    Seit ein paar Augenblicken beobachtete der Justizbeamte Maigret mit einiger Neugier.
    »Sie sehen so merkwürdig aus …«, bemerkte er plötzlich.
    Der Kommissar lächelte, schlug einen vertraulichen Ton an.
    »Das Morphium!« sagte er.
    »Wie?«
    »Keine Angst! Das ist nicht etwa mein neustes Laster. Eine einfache Spritze in die Brust … Die Ärzte wollen mir zwei Rippen wegnehmen, behaupten, das sei unbedingt notwendig … Aber das ist eine irre Arbeit! … Ich muß ins Krankenhaus und wer weiß wie viele Wochen dableiben … Ich habe sie um einen Aufschub von sechzig Stunden gebeten. Alles, was ich dabei riskiere, scheint

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