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Maigret verteidigt sich

Maigret verteidigt sich

Titel: Maigret verteidigt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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ging im Treppenhaus das Licht an, und er sah die Assistentin Dr. Mélans, die sich über das Geländer beugte. Als er zu ihr hinaufkam, murmelte sie:
    »Ich dachte, Sie würden vielleicht den Weg nicht finden. Das Haus ist ziemlich verwinkelt.«
    Sie wirkte in ihrem dunklen Kleid anders als in der Tracht, irgendwie verletzbarer. In ihren tief in den Höhlen liegenden Augen spiegelte sich Unruhe, und vor Erregung standen rote Flecke auf ihrer weißen Haut.
    »Hier entlang… Beeilen Sie sich, das Licht geht gleich aus.«
    Sie führte ihn in ein sehr sauberes, fast gemütliches Zimmer, das zugleich Wohn- und Eßzimmer war und dem die provinziellen Möbel, denen man ihr Alter ansah, eine friedliche und beruhigende Note gaben.
    »Setzen Sie sich bitte. Sie können rauchen.«
    »Hoffentlich hat der Professor Sie nicht geweckt.«
    »Ich schlafe wenig.«
    Man sah weder einen Radio- noch einen Fernsehapparat, aber viele Regale voller Bücher. Ein aufgeschlagenes lag neben einem Sessel.
    »Haben Sie Ihre Pfeife vergessen?«
    Sie versuchte nicht, ihn freundlich anzulächeln und ihre Sorgen zu verbergen.
    »Als ich Sie heute vormittag in dem Wartezimmer sah, habe ich schon gemerkt, daß das nichts Gutes bedeutete. Es überrascht mich, daß Sie hergekommen sind.«
    »Wie ich schon Professor Vivier sagte, bin ich in privater Eigenschaft hier. Ich bin nicht berechtigt, Sie zu belästigen. Meine Vorgesetzten haben mich auf Erholungsurlaub geschickt, um einflußreiche Leute vor Verdruß zu bewahren.
    Sie hätten das Recht, mir die Tür vor der Nase zuzuschlagen, weshalb ich Professor Vivier um seine Vermittlung gebeten habe, dem ich voll vertraue. Noch jetzt haben Sie das Recht, meine Fragen nicht zu beantworten.«
    Er sprach langsam und halblaut, als zweifle er an sich.
    »Vorgestern bin ich das Opfer einer sorgfältig eingefädelten Verschwörung geworden. Man hat mir eine Falle gestellt, in die ich fast todsicher stolpern mußte…«
    Kaum zwei Tage waren inzwischen vergangen. Alles, was seitdem geschehen war, vermengte sich in Maigrets Erinnerung – Wichtiges, weniger Wichtiges, der Rollstuhl Manuels und die Flecke an der Mauer der Villa gegenüber. Das schwarze Haar des Mädchens beim Zahnarzt und die blauen Augen dieses Zahnarztes, die durch die Brillengläser unnatürlich groß wurden, als sie dem Gesicht des Kommissars ganz nahe gekommen waren.
    In einem gegebenen Augenblick würde jede Einzelheit ihre Bedeutung bekommen und ihren Sinn innerhalb des Ganzen.
    »Es gibt immer nur eine Wahrheit«, sagte Maigret gern. »Das Schwierige ist, sie zu erkennen, zu entdecken, wo sie steckt.«
    »Trinken Sie eine Tasse Kaffee?«
    »Danke. Sie brennen natürlich darauf, den Zweck meines Besuches zu erfahren. Ich weiß jetzt so viel über die Vergangenheit Dr. Mélans, daß ich mir sein Verhalten erklären kann.«
    Die Hände auf dem Schoß gefaltet, blickte sie ihn noch aufmerksamer an als Pardon vorhin.
    »Derjenige, der mir diese Falle gestellt hat, war in höchster Not. Wenn er einem Problem gegenübersteht, ist er geneigt, die komplizierteste Lösung zu suchen.
    Seltsamerweise hat es eines besonderen Zusammentreffens von Umständen bedurft, daß ich mich für sein Tun und Lassen interessierte.«
    Mit weitaufgerissenen Augen stammelte sie:
    »Haben Sie den Arzt nicht seit mehreren Wochen überwachen lassen?«
    »Nein, Mademoiselle. Ich habe einen Gauner überwachen lassen, der im Hause gegenüber wohnt. Die Männer, die Sie in der Straße gesehen haben, hatten den Auftrag, zu beobachten, wer ihn besuchte. Sie sollten seine Geliebte beschatten, wenn sie ausging…«
    »Ich kann einfach nicht…«
    »Mir glauben. Dennoch ist es die Wahrheit. Ich selber war in der letzten Zeit mehrmals bei dem Mann, der Manuel Palmari heißt, und aus einer alten Gewohnheit habe ich mich zuweilen ans Fenster gestellt…«
    »Sie waren also nicht dort, um…«
    »Um Dr. Mélan zu überwachen? Ich kannte da seinen Namen noch gar nicht, und wenn es so ausgesehen hat, als interessierte ich mich für seine Villa, dann, weil ich eine Schwäche für alte Häuser habe.
    Ich bin, wie ich Ihnen schon gesagt habe, das Opfer einer Verschwörung geworden. Jemand wollte mich beseitigen, jemand, der, statt mich einfach umzulegen, einen komplizierten, fast diabolischen Plan ausgeheckt hat, einen Plan ohne Fehler. Da ich Manuel gewisser Missetaten verdächtigte und seit langem ein Auge auf ihn habe, habe ich zunächst an ihn gedacht und ihn mehrmals aufgesucht.
    Ich

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