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Maigret verteidigt sich

Maigret verteidigt sich

Titel: Maigret verteidigt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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erfahren, als ich in einer Schublade Instrumente fand, die er als Zahnarzt nicht brauchte.«
    »Sonst nichts?«
    »Ich kann ihn unmöglich belasten.«
    »Wollen Sie meine Meinung hören, Mademoiselle Motte? Sagen Sie mir zunächst einmal, ob Mélan christlich ist.«
    »Er gehört keiner Kirche an.«
    »Dann ist die Abtreibung für ihn nicht unbedingt eine ernste Sünde. Es ist eine Frage der Moral, die je nach den Breitengraden und Ländern variiert. Manche lassen es zu, andere verurteilen es. Sehen Sie, wenn es nur das wäre, dann glaube ich nicht, daß Ihr Chef in solcher Angst wäre. Dann würde er nicht so handeln, wie er es seit einigen Tagen tut. Ist Ihnen dieser Gedanke nicht gekommen?«
    »Doch.«
    »Warum?«
    Sie wandte den Kopf ab, und nach einem ziemlich langen Schweigen stammelte sie:
    »Das, was Sie mich fragen, ist furchtbar. Er hat nur mich…«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Daß er immer allein gewesen ist. Vollkommen allein. Ich weiß zwar, daß er ausgeht, sich in den Klub begibt, von dem Sie gesprochen haben. Er tut das, um sich zu beruhigen, vielleicht auch, um…«
    »Patientinnen zu finden?«
    »Ja.«
    »Und Nicole Prieur?«
    »Ich nehme an, daß sie das erstemal aus dem gleichen Grund gekommen ist wie die anderen…«
    »Wie die anderen Besucherinnen am Abend?«
    »Ja. Ich habe keine Karteikarte von ihr. Sie ist eine Hysterikerin, die sich ihm an den Hals geworfen hat, und ich bin sicher, sie ist es, die ihn verfolgt…«
    »Ist sie seine Geliebte?« Ein neues Schweigen.
    »Soll ich die Frage für Sie beantworten?« sagte Maigret. »Sie sind davon überzeugt, daß Mélan nie eine Geliebte gehabt hat. Jetzt ebensowenig wie als Student, als die anderen ihn das ›Unschuldslamm‹ nannten.«
    »Ich kannte diesen Spitznamen bisher noch nicht.«
    »Habe ich recht?«
    »Der Gedanke ist mir gekommen.«
    »Und dann haben Sie, wie ich, etwas anderes vermutet.«
    Sie erhob sich und begann nervös im Zimmer auf und ab zu gehen.
    »Sie foltern mich.«
    »Ist es Ihnen lieber, daß es zu neuen Verbrechen kommt?«
    Sie blickte ihn plötzlich bestürzt an.
    »Wie haben Sie das alles erfahren? Hat Carola geplaudert?«
    »Weiß Carola davon?«
    »Nun gut, dann muß ich also alles sagen. Ich kann das Geheimnis nicht mehr länger für mich behalten. Gleich nachdem ich bei Dr. Mélan eingetreten bin, hat es mich überrascht, daß ich nicht im Sprechzimmer bleiben durfte, wenn er eine Patientin empfing.«
    »Sprechen Sie von den Patientinnen, die am Tage kamen?«
    »Ja, denn am Abend war ich ja nicht da.«
    »Bei keiner Patientin?«
    »Bei manchen schon, auch bei einigen Patienten, die übrigens weniger zahlreich waren. Da spielte ich die normale Rolle einer Assistentin, die dem Arzt die Instrumente reicht, die er braucht, die Röntgenaufnahmen vorbereitet und so weiter.«
    »Aber sonst verbannte man Sie in Ihr Büro?«
    »Ja.«
    »Ohne eine Erklärung?«
    »Dr. Mélan gab nie eine Erklärung.«
    »Haben Sie einen Verdacht gehabt?«
    »Durch einen Zeitungsartikel. In den Vereinigten Staaten, in Connecticut, glaube ich, hat ein Zahnarzt, wenn eine Patientin ihm begehrenswert erschien, sie gewaltsam betäubt.«
    »Das war auch ein Schüchterner, der weder eine Frau noch eine Geliebte hatte.«
    »Ja.«
    »Was hat sich kürzlich ereignet, so daß Sie es mit Sicherheit wußten?«
    »Eine Patientin ist hineingegangen und nicht wieder herausgekommen. Das hat mich verwundert. Er hat mir gesagt, er hätte sie die Hintertreppe hinuntergebracht.«
    »Behauptet Carola, daß das nicht stimmt?«
    »Ja. Die Küche liegt an dieser Treppe, und die Tür steht immer offen. Außerdem…«
    »Sagen Sie es ruhig.«
    »Nichts… Ich kann nicht…«
    »Ich werde Ihnen wieder einmal helfen. Hat der Arzt einen Gärtner?«
    »Nein.«
    »Bestellt er selber den Garten?«
    »Er kümmert sich kaum um ihn. Man sieht dort mehr Unkraut als Blumen.«
    »Haben Sie Carola gefragt, ob in jener Nacht…?«
    »Nein. Sie hat von sich aus darüber gesprochen.«
    »Und Sie haben niemandem etwas davon gesagt?«
    »Nein. Er ist allein… Er hält sich für häßlich…«
    Sie war allein, sie war häßlich.
    »Ist das der einzige Fall?«
    »Meines Wissens…«
    »Aber Sie sind doch nicht da, wenn er die Patientinnen abends empfängt. Ist Carola immer im Hause?«
    »Sie geht manchmal ins Kino…«
    »Also hat das gleiche öfter passieren können.«
    »Das ist nicht unmöglich.«
    »Kann es noch passieren?«
    »Was wollen Sie von mir?«
    »Daß Sie mir helfen.

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