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Mainfall

Mainfall

Titel: Mainfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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Hose, anschließend ein genüssliches Stöhnen, sobald sich mein Nachbar gesetzt hatte, und schließlich einen donnernden Furz, der durch die Toilettenanlage dröhnte. Selten hatte ich mich über einen solchen Knaller so gefreut, denn der war ohne Zweifel echt gewesen und gehörte wohl kaum zu einem Ganoven, der nur wegen mir in den Toiletten herumschnüffelte.
    Fast fing ich an, mich in den Toiletten wohlzufühlen, da geschah es: Fäuste trommelten gegen meine Tür und jemand rief: »Ouvrez! Aufmachen!«
    Mir blieb fast das Herz stehen. Ich rührte mich nicht. Wieder trommelte es gegen meine Tür und im unteren Bereich wurde mit Füßen dagegengetreten. Verzweifelt sah ich auf meine Uhr. Noch vier Minuten bis zur Abfahrt meines Zuges. Jetzt schien plötzlich die Zeit zu rasen. Ich stellte mich auf den Toilettendeckel, krallte mich mit den Händen an der Oberkante der Nachbarkabine fest und zog mich nach oben. Dann sah ich ihn: Ein Penner mit einer Schnapsflasche in der linken Hand, der gegen meine Tür trommelte und wieder rief: »Ouvrez! Aufmachen!«
    Ich ließ mich nach unten gleiten und öffnete die Tür meiner Toilettenkabine. Die Plastiktüte mit meiner Badehose in der Hand, rannte ich los. Noch zwei Minuten. Der Zug stand schon da, als ich zum Gleis kam. Ich stürzte in einen der ersten Waggons. Puh, geschafft, dachte ich. Noch bevor ich meinen Platz gefunden hatte, fuhr der Zug an. Das leise Rattern der Waggons klang wie Musik in meinen Ohren. Jetzt war ich frei! Bereits morgen früh würde ich in Toulon sein, würde nach meiner Insel suchen, von der Melanie erzählt und von der auch die Wahrsagerin in Venedig gesprochen hatte.
    Nur Oskar tat mir leid. Ihn hatte ich natürlich nicht mitnehmen können, denn Isabell hätte mich bestimmt nicht gehen lassen, wenn ich beim Campingplatz aufgetaucht wäre, um den Hund zu holen. Also tröstete ich mich damit, dass es ihm bei Isabell und den Kindern bestimmt gut ginge.
    Bald fand ich meinen bequemen Schlafsessel. Die Lichter Frankreichs rauschten an mir vorbei. Zwischenhalte in Colmar, Mulhouse, Belfort, Besançon, später kleine Orte im Rhônetal, die schon ganz fest schliefen, während ich zu aufgeregt war, um wirklich zur Ruhe zu kommen. Ich musste an Monsieur Legrand denken. Der schlief sicher tief, nachdem er brav seinen bräunlichen Saft getrunken hatte. Ich aber war hellwach und gespannt wie ein Flitzebogen, ob ich meine Insel finden würde. Irgendwann musste ich dann doch eingeschlafen sein und erwachte erst wieder, als die Sonne schon hell am Himmel stand. Zuerst wunderte ich mich, warum mein Krankenbett mit mir durch die Landschaft fuhr, bis mir klar wurde, dass ich im Zug nach Toulon saß, um meine Insel zu finden.
    ›Avignon Centre‹, tönte es aus den Lautsprechern. Türen schlugen, Reisende hasteten mit schweren Koffern über den Bahnsteig, dann ein leises Rattern, der Bahnsteig glitt am Fenster vorbei, mir gegenüber nahm eine ältere Dame Platz, der Morgenkaffee wurde durch die Gänge geschoben, ich besuchte die Toilette, Zwischenhalte in Arles und Marseille und dann, um kurz nach 9 Uhr, erreichten wir Toulon, die Hafenstadt am Mittelmeer. Wie neu geboren stand ich vor dem Bahnhof, so frei wie schon lange nicht mehr. Ich dachte an Rotfux, freute mich insgeheim, ihm entkommen zu sein, und stellte mir vor, wie er mich jetzt in der Klinik suchen würde.
    Ich ging zu Fuß durch diese Stadt, sog die südländische Morgenluft ein, überquerte den Boulevard de Tesse, bog in die Rue de Chabanne ein und erreichte den Place de la Liberté. Ja, das war mein Platz. Platz der Freiheit. Für mich hatten sie ihn sicher so genannt, für mich ließen sie den Springbrunnen seine Fontänen gen Himmel schleudern, zu meinem Empfang war das alles bereitet, um mich in meiner Heimat zu begrüßen, die ich so lange vermisst hatte. Ich fühlte, dass ich Toulon kannte, ich wusste, dass ich schon auf diesem Platz gewesen war, auch wenn ich immer noch nicht sagen konnte, wann und mit wem.
    Nach einem Croissant und einem Milchkaffee spazierte ich durch die schmalen Gassen der Altstadt zum Hafen. Hoch ragten die braungrauen Häuserschluchten in den Himmel, der sich dunkelblau dazwischen zeigte. Irgendwo musste das Meer sein, das wusste ich. Ich roch es, bevor ich es endlich sah, und merkte, wie sehr ich es seit Venedig vermisst hatte. Dann hörte ich seine Wellen gegen den Kai schlagen, sah die Boote, die zur Hafenrundfahrt einluden, sah die Souvenirgeschäfte, welche sich an der

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