Mainfall
Promenade die schönsten Plätze gesucht hatten, und die Möwen, die über dem Hafen kreisten.
Irgendwo dort draußen auf dem Meer musste meine Insel liegen, dachte ich. Aber wo?
Zunächst kaufte ich mir in einem der Souvenirgeschäfte eine Karte der Region, aber eine Île du vin war nirgendwo zu finden. Daraufhin erkundigte ich mich bei der Kasse für die Hafenrundfahrten, aber auch dort konnte man mir nicht weiterhelfen. Die junge dunkelhaarige Angestellte rief sogar bei ihrem Chef an und fragte nach der Insel, doch keiner kannte sie. Ich zeigte ihr wie zum Beweis das Etikett meiner Weinflasche.
»Ja, ja«, sagte sie, »ich kann lesen«, und lachte mich dabei mit ihren strahlend weißen Zähnen an, »aber pardon, Monsieur, niemand kennt hier diese Insel. Vielleicht ist es nur ein Werbe-Gag?«
Die Angestellte war so lebhaft und fröhlich, dass ich für einen Moment fast meinen Kummer vergaß. Ich kaufte bei ihr ein Ticket für eine Hafenrundfahrt. Warum, wusste ich eigentlich auch nicht. Ich glaube, es war das Gefühl, ihr meine Dankbarkeit zeigen zu wollen, das mich trieb. Und es war diese südfranzösische Hafenluft, die mich beflügelte. Irgendwie erinnerte mich die Angestellte an Melanie. Sie hatte ihre dunklen Augen, ihre dunklen Haare, zwar nicht ganz ihr Lächeln, aber sehr freundlich war sie, sodass ich noch stundenlang hätte Fahrkarten bei ihr kaufen können.
»Monsieur, das Schiff fährt gleich ab«, riss sie mich aus meinen Gedanken. Sie lächelte. Wahrscheinlich hatte sie bemerkt, dass ich sie verträumt angesehen hatte, und freute sich darüber.
Ich eilte an Bord, stieg die eiserne Treppe zum Oberdeck hoch und setzte mich dort ziemlich weit nach vorn auf eine der holzbelatteten Sitzbänke. Das Schiff war jetzt, am frühen Vormittag, noch nicht sehr voll. Auf dem Oberdeck saßen nur ein junges Pärchen und ein älterer Herr mit einem Strohhut, den ich um seine Kopfbedeckung fast beneidete, denn die Sonne brannte bereits um diese Zeit kräftig vom azurblauen Himmel. Der Kapitän kam an Bord, die Motoren begannen zu stampfen, das Schiff legte langsam vom Kai ab und fuhr in weitem Bogen hinaus ins Hafengelände. Der Kapitän begrüßte uns und stellte sich als alter französischer Haudegen heraus, der schon in Vietnam gekämpft hatte. Er lobte die französische Flotte, die hier in diesem Kriegshafen lag, über den grünen Klee, wusste zu jedem Schiff Einzelheiten zu erzählen, die man sich gar nicht alle merken konnte, und lobte besonders zwei atomgetriebene U-Boote, die hier auf Reede lagen. Der ältere Herr fotografierte fast jedes Schiff mit seiner Digitalkamera.
»Ich kann die schlechten Bilder ja wieder löschen«, lachte er mir zu, als er bemerkte, dass ich ihn beobachtete.
Das junge Pärchen schien mit sich selbst zufrieden zu sein. Sie küssten sich ab und zu und ich hatte den Eindruck, dass dieser Hafen nur die Kulisse für ihre junge Liebe darstellte, sie sich aber für die Kriegsschiffe nicht im Geringsten interessierten. Gegen Ende der Rundfahrt stand ich auf, ging etwas auf dem Deck hin und her und zum Steuerstand des Kapitäns.
»Herr Kapitän«, sprach ich ihn höflich auf Französisch an, »darf ich Ihnen eine Frage stellen?«
Er sah mich etwas verwundert an, nickte jedoch freundlich.
»Kennen Sie hier in der Gegend eine Île du vin?«, fragte ich ihn. »Sie soll irgendwo in der Nähe von Le Lavandou sein.«
Er überlegte, zog die Stirn in Falten, strich sich über seinen grauen Backenbart, der sein rundliches Gesicht umrahmte, dann schüttelte er den Kopf und lächelte verlegen.
»Nein, Monsieur«, sagte er, »von einer solchen Insel habe ich noch nie gehört.«
Enttäuscht wollte ich mich abwenden.
»Aber warten Sie«, sagte der Kapitän, »sehen Sie dort drüben, diese alte hölzerne Segeljacht, auf der wohnt ein uralter Seebär, der müsste es wissen. Fragen Sie den. Wenn der die Insel nicht kennt, gibt es sie nicht.«
25
Nachdem unser Schiff wieder am Kai angelegt hatte, winkte ich der schwarzhaarigen Französin in ihrem Kartenhäuschen zu, sie winkte fröhlich zurück, und anschließend machte ich mich gleich auf den Weg zu der alten hölzernen Jacht, die mir der Kapitän gezeigt hatte. Meine Hoffnung trieb mich vorwärts. Ich hinterließ eine Spur von Schweißtropfen auf den schweren Granitblöcken, welche die Hafenmole bildeten, aber ich spürte kaum die Hitze, die über dem Hafengelände lag. Ich sah nur die Jacht vor mir und trug den Traum im Herzen, meine Insel
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