Mainfall
alles gut verstaut sein«, sagte er.
Also legte ich die Plastiktüte mit meiner langen Hose und meiner Wäsche in das Fach unter der Pritsche und schob auch mein Handy in die Tüte, das ich noch vor dem Urlaub in Aschaffenburg angemeldet hatte. Ich trug inzwischen eine Bermuda, ein Shirt und Sandalen aus dem Supermarkt, da mir meine bisherigen Kleider für die Fahrt auf der Jacht zu unbequem erschienen.
»Dann kann’s ja losgehen, ich bin Marcel«, stellte sich mein Kapitän vor, als wir alles an Bord hatten.
»Ich bin Johann«, sagte ich und war froh, nicht gleich mit Cognac anstoßen zu müssen.
Marcel warf den Außenborder am Heck an und wir tuckerten durch das Hafenbecken hinaus aufs offene Meer. Er stand hinter dem Steuer wie eine Eins. Er war nicht wiederzuerkennen seit dem Vormittag, wohl weil er jetzt einen Auftrag hatte, den nur er ausführen konnte. Sobald wir das Hafenbecken verlassen hatten, drosselte er den Motor und setzte Segel. Zuerst die Fock, danach das Großsegel und dann glitten wir ganz ruhig zwischen den leichten Wellen in Richtung Horizont. Außer dem Plätschern der Wellen gegen die Bordwand und dem Kreischen der Möwen war nichts zu hören. Ab und zu ächzte das Boot, als ob es sich über seine Last beklagen wollte. Doch meist zog es ganz ruhig seine Bahn.
Was war das für ein Gefühl: Eine weiße Sonnenmütze auf dem Kopf, die geblähten Segel über mir, den Horizont und die Îles d’Hyères vor mir, die Küste und das Massif des Maures seitlich von uns und die Hoffnung auf meine Insel im Herzen.
Marcel hielt genau auf die Inseln zu, die im Dunst zu sehen waren, und ich fragte ihn, ob dort auch die Île du vin läge. Er lachte und seine Goldplomben glänzten in der Abendsonne.
»Nein, nein«, sagte er, »aber wir werden bei den Inseln heute Nacht vor Anker gehen. Bei Dunkelheit bin ich nicht gern mit dem Segelboot unterwegs. Es gibt heute so viele Verrückte mit den Motorbooten, vor allem im Sommer, wenn die Touristen da sind.«
Das leuchtete mir ein und da ich inzwischen selbst ziemlich müde war, hatte ich gegen eine Pause nichts einzuwenden. So gingen wir um 21 Uhr abends in einer Bucht bei der Insel Port-Cros vor Anker. Marcel holte das Großsegel ein, warf dann in weitem Bogen den Anker mit der Ankerkette über Bord, wartete, bis er sich im Boden festgefressen hatte, und holte daraufhin die Fock ein. Bei ihm saß jeder Handgriff und ich hatte kaum etwas zu tun. Natürlich half ich ihm dabei, das Großsegel um den Baum zu binden, aber sonst brauchte er keine Unterstützung. Zufrieden holte er zwei Klappstühle und einen Klapptisch aus der Kajüte, stellte sie auf das Deck, zündete sich eine Zigarette an und blies seine Ringe in die Luft.
»Wie lange werden wir brauchen?«, fragte ich ihn.
»Ist das wichtig?«
»Es würde mich interessieren«, ließ ich nicht locker.
»Kommt auf den Wind an. Bis jetzt läuft es gut«, sagte er. »Vielleicht sechs Stunden, vielleicht acht. Ich weiß es nicht.«
»So lange?«
»Ich sagte doch, die Halbinsel liegt weit entfernt«, brummte er und ich hatte das deutliche Gefühl, dass ich ihn mit meinen Fragen nervte.
Er hatte inzwischen Baguette und Camembert aus der Kajüte geholt und natürlich auch eine Flasche Wein zur Kühlung ins Wasser gehängt.
»Heute haben wir noch frisches Brot. Das müssen wir genießen«, sagte er und ließ es sich schmecken.
Inzwischen war es ganz dunkel geworden. In der Ferne sah man die Lichterkette der Küstenorte. Cabasson mit seinem Fort, Bormes-les-Mimosas am Hang gelegen, Le Lavandou und Cavalaire-sur-Mer in ihren schützenden Buchten. Marcel wurde zunehmend lustiger.
»Lange war ich nicht mehr unterwegs«, erzählte er. Nachdem der Wein geleert war, holte er eine Cognacflasche aus der Kajüte. Wir tranken ihn aus den Weingläsern und ich wunderte mich, wie schnell Marcel davon trank. Bald war die halbe Flasche leer. Er spielte Seemannslieder auf der Mundharmonika, was mir zwar kitschig vorkam, aber doch irgendwie schön war an diesem lauen Sommerabend. Als auch der Cognac alle war, legten wir uns in die Kojen und wenig später hörte ich das gleichmäßige Schnarchen von Marcel. Ich selbst allerdings musste mich erst an die Nacht auf einer Segeljacht gewöhnen und lag noch lange wach, obwohl ich eigentlich total übermüdet war.
Ich hörte das Plätschern der Wellen am Bootskörper, sah durch die offene Luke über mir die Sterne leuchten, spürte das leichte Schwanken des Bootes unter mir, hörte,
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