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Mainfall

Mainfall

Titel: Mainfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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kuscheln«, sagte der kleine Paul begeistert und strich das Kissen, welches er neben das Fußende des Bettes gelegt hatte, sorgfältig glatt.
    So ganz konnte ich es noch nicht fassen, jetzt einen Hund zu haben. Aber irgendwie spürte ich, dass Oskar vielleicht die einzige Verbindung zu meiner Vergangenheit war. Er hatte mich aus dem Main gerettet, hatte mir in diesem Keller ein Loch in die Kapuze genagt, er schien mich gut zu kennen, er hing an mir wie eine Klette, er wusste wahrscheinlich, wer ich war und wo ich herkam, auch wenn er es nicht sagen konnte.
    Er brauchte mich, das war klar. Ich gab ihm Sicherheit, so unsicher ich selbst auch war. Er vertraute mir, er besaß dieses tiefe Gottvertrauen in mich, das nur ein Hund haben konnte. Ihm schien es völlig zu reichen, bei mir zu sein, und für ihn war alles gut.
     
    »Sie können duschen, wenn Sie wollen«, bot mir Isabell Brenner gleich an und brachte mir sogar frische Unterwäsche von Ulrich, ein frisches Hemd und eine Jeans.
    So stand ich wenig später in der Duschkabine und konnte es kaum fassen, dass ich diese Nacht in einem richtigen Bett schlafen würde. Das heiße Wasser rann mir über den Bauch und über den Rücken, um meine Zehen bildete sich eine bräunliche Lache, die aber schnell wieder verschwand, nachdem ich mich kräftig abgeseift hatte.
    Ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal richtig geduscht hatte. In der Klinik war das irgendwie ungemütlich gewesen, mit den Haltegriffen für die Kranken an der Wand und dem Gefühl, dass der Bettnachbar jeden Moment an die Tür der Kabine klopfen könnte. Und bei meinen Übernachtungen im Schloss und in der Stiftskirche war Duschen sowieso kein Thema. Weiter zurück konnte ich mich an nichts mehr erinnern, an keine einzige Duschkabine der Welt. Ich kannte das Gefühl zu duschen, das Gefühl des heißen Wassers auf dem Kopf, das Gefühl der rinnenden Bäche über Brust und Schultern, kannte den Geruch von frischem, aufschäumenden Duschgel, aber ich wusste nicht, wo ich vorher überall geduscht hatte. Nur das Gefühl des Duschens war noch da, mehr nicht. Gefühle waren mir geblieben, nur die konkreten Erinnerungen nicht.
     
    Später saß ich mit Isabell beim Abendessen. Sie hatte den kleinen Paul und ihr Töchterchen Corinna ins Bett gebracht. »Ich weiß nicht, ob die Kinder es verstehen, dass Sie jetzt plötzlich hier sind«, sagte sie und es kam mir vor, als ob Isabell meine Anwesenheit bedrückte.
    »Ich kann mir ja morgen eine andere Unterkunft suchen«, gab ich zurück, denn ich wollte ihr wirklich nicht zur Last fallen. Zwar war es mein schönstes Abendessen, seit sie mich aus dem Main gefischt hatten, aber irgendwie trübte der Gedanke an Ulrich die Stimmung, der blass und krebskrank in der Klinik lag und sicher auch gern hier bei seiner Frau gesessen hätte.
    »Nein, nein, so habe ich das nicht gemeint«, wehrte sie ab.
    Sie nahm ein Stück Brot, schnitt eine Ecke vom cremigen Camembert ab, legte sie auf das Brot und schob das Ganze mit ihren langen schlanken Fingern zwischen ihre schön geschwungenen roten Lippen. Einen Moment lang vergaß ich all meinen Kummer. Ich vergaß auch Ulrich, träumte sekundenlang von seiner Frau, die mir hier im Hausanzug gegenübersaß, hübsch und jung, eine Verlockung für jeden Mann.
    »Ist etwas?«, fragte sie und lächelte.
    »Ach, nichts«, antwortete ich. »Ich habe Sie nur beobachtet, wie Sie den Camembert gegessen haben. Scheint gut zu schmecken.«
    »Ja, nehmen Sie doch auch davon. Oder mögen Sie keinen Camembert?«
    Ich schluckte.
    »Ich weiß es nicht. Es ist zum Verrücktwerden. Alles ist wie weggeblasen. Ich kann mich an wirklich nichts mehr erinnern.«
    »Dann probieren Sie ihn doch einfach«, munterte sie mich auf. Sie schien es wahnsinnig spannend zu finden, hier mit einem Mann zu sitzen, der alles neu entdecken musste.
    Also schnitt ich mir mit dem Käsemesser eine Ecke des Camemberts ab. Sanft glitt das Messer durch den Käse. Ich kannte dieses Gefühl, den leichten Gegendruck, mit dem der Käse sich zur Wehr setzte, bevor er nachgab und cremig gelb seine Schnittfläche zeigte. Ja, ich kannte dieses Gefühl. Tausendmal musste ich Camemberts zerteilt haben, nur wo?
    »Es ist seltsam«, sagte ich zu Isabell, nachdem ich ein Stück des köstlichen Käses hatte auf der Zunge zergehen lassen. »Ich kenne das Gefühl, diesen Käse zu zerteilen, ich kenne seinen sanften Geschmack, aber ich kann nicht sagen, wo ich ihn jemals

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