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Mainfall

Mainfall

Titel: Mainfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Woelm
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Zeitung ausgeschnittenen Buchstaben nur ein Satz stand: ›Wir kriegen dich!‹
    »Na, da staunen Sie!«, freute sich der Kommissar. »Die Ganoven haben angebissen. Das ist der erste Anhaltspunkt in Ihrer Sache, und alles deutet darauf hin, dass Ihr Unfall im Main in Wirklichkeit kein Unfall war.«
    Ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen sollte. »Aber das ist doch für mich gefährlich, Herr Kommissar«, dachte ich laut nach.
    »Da machen Sie sich mal keine Gedanken«, versuchte mich Rotfux zu beruhigen. »Erstens kennen die ja Ihre Adresse bisher nicht. Sie vermuten wahrscheinlich, dass Sie im Hotel oder in einem Heim wohnen. Zweitens habe ich schon alles veranlasst: Wir fahren verstärkt Streife in Ihrem Viertel, wir verdichten die Kontrollen am Bahnhof, jeder weiß bei uns über Ihren Fall Bescheid und hält die Augen offen. Natürlich müssen auch Sie uns jede verdächtige Beobachtung sofort melden, die Sie machen!«
    Rotfux schien regelrecht vergnügt zu sein. Er war voll in seinem Element und ich hatte den Eindruck, dass ich seit Langem der spannendste Fall war, den er bearbeitete. Gerade deshalb war mir etwas unwohl zumute.
    »Ich weiß nicht …, Herr Kommissar«, sagte ich, »mir macht das alles Angst. Schließlich wäre ich fast ertrunken. Und entführt wurde ich auch schon.«
    Rotfux schien das wenig zu beeindrucken. Er erhob sich und verabschiedete sich. »Nur Mut, mein Lieber«, sagte er und klopfte mir auf die Schulter, »wir kriegen die!«
     
    Noch am selben Abend rief ich bei Natalie in Hamburg an.
    »Natalie Bramhof«, meldete sie sich.
    »Hier ist der König von Aschaffenburg«, stellte ich mich vor. »Sie haben mir einen netten Brief geschrieben.«
    Sofort war sie außer sich vor Freude. »Mensch, Dieter!«, rief sie. »Wo steckst du? Ich habe dich so sehr vermisst.«
    »Dieter?«, murmelte ich ungläubig. Sollte das mein echter Name sein? »Woher kennen wir uns denn?«
    Ich hörte förmlich, wie sie schluckte.
    »Ja weißt du denn gar nichts mehr?«, stammelte sie. »Unsere Zeit in Italien, Venedig, das Meer, die Nächte am Strand, unsere Fahrt mit der Gondel. Oh, das war so schön! Ich sehne mich so sehr nach dir.«
    Ich war ratlos und einen Augenblick ganz still.
    »Bist du noch dran?«, fragte sie.
    »Ja, doch … ich versuche mich zu erinnern. Aber es geht nicht.«
    »Bitte, können wir uns nicht sehen?«, flehte sie am anderen Ende der Leitung. »Dir wird bestimmt alles wieder einfallen, wenn du mir erst gegenüberstehst.«
    »Ich weiß nicht«, zögerte ich.
    Ich musste an die anderen Frauen denken, hörte die Stimme aus Straßburg, die auf eine Art vertrauter geklungen hatte, und fragte mich verzweifelt, was ich tun sollte.
    »Bitte, Dieter, nimm den Intercity, komm nach Hamburg, ich bin immer für dich da.« Sie sagte das so sehnsuchtsvoll, dass ich für einen Augenblick dachte, auch diese Stimme zuvor bereits gehört zu haben.
    Ich weiß nicht, ob man sich vorstellen kann, wie schrecklich es ist, mit einer hübschen jungen Frau zu sprechen und nicht zu wissen, ob man sie kennt. Ich wusste nichts und sie schien alles zu wissen. Hatte ich sie je geliebt? Hatte ich womöglich sogar mit ihr geschlafen? Hatte ich schon mit Frauen geschlafen? Tausend Fragen rasten durch mein so leeres Hirn.
    »Bist du noch dran?«, fragte Natalie wieder.
    »Ja, doch«, sagte ich. »Ich versuche mich zu erinnern, aber ich schaffe es einfach nicht.«
    Geduld hatte sie jedenfalls.
    »Komm nach Hamburg. Ich bezahle dir die Fahrt. Du kannst bei mir wohnen. Du wirst alles wiedererkennen, wenn du erst hier bist«, tröstete sie mich und ihre Stimme zitterte vor Aufregung.
    Nach und nach begann ich zu schwanken. Sie schien wirklich sehr verliebt in mich zu sein, wollte sogar bezahlen, als ob sie wusste, dass ich mit meinem Geld haushalten musste.
    »Natalie, ich überlege es mir«, sagte ich schließlich, »ich kann mich nicht so plötzlich entscheiden. Ich rufe dich wieder an.«
    »Na gut«, sagte sie. Sie sprach jetzt leiser und ihre Enttäuschung war ihr deutlich anzumerken. »Bitte, komm nach Hamburg, ich würde mich wirklich sehr freuen.«
     
    Am nächsten Vormittag besuchte ich Ulrich in der Klinik. Er war für mich so etwas wie ein rettender Anker, ein ruhender Pol, dem ich vertraute, der keine schlechten Absichten hatte und an den ich mich wenden konnte mit all meiner Unsicherheit und Verzweiflung.
    Als ich die Tür öffnete und vorsichtig in sein Krankenzimmer trat, schlief er. Ich wagte es nicht,

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