Mainfall
Händen an den Wänden der Gänge entlangtastend.
»Warum sie wohl das Licht abgeschaltet haben?«, dachte Gina laut nach.
»Vermutlich Mittagspause«, brummte ich.
»Bist du böse?«
»Nein, böse nicht. Aber toll finde ich es nicht gerade in dieser Finsternis.«
Wir setzten unseren Weg schweigend fort und nur unsere tastenden Schritte waren zu hören.
Irgendwann ging das Licht wieder an. Wir sahen ziemlich schmutzig aus. Vor allem Ginas weiße Bluse war an den Ärmeln braun von der Erde.
»Hallo?«, hörten wir wenig später eine weit entfernte Stimme.
»Hallo!«, antworteten wir.
Das Ganze war mir ziemlich peinlich. Ich zog meine Hose und mein Hemd glatt und hoffte, damit die Spuren unseres Abenteuers beseitigen zu können.
»Hallo?«, kam die Stimme näher.
»Hallo!«, gaben wir erneut zurück.
Endlich erschien ein dickbäuchiger Pater in seiner braunen Kutte mit einer Lampe in der rechten Hand.
Er wirkte ärgerlich. »Wir hatten schon alles abgeschaltet und haben dann Ihren Picknick-Korb entdeckt.«
»Wir haben uns verlaufen«, erklärte Gina. Ob sie dabei rot wurde, konnte ich nicht erkennen. Dafür fiel mir im selben Augenblick auf, dass sie ihre Bluse falsch zugeknöpft hatte. Alle Knöpfe waren um eine Reihe verschoben und der oberste Knopf baumelte frei ohne passendes Knopfloch neben dem Kragen. Am liebsten wäre ich vor Scham im Boden versunken, aber dazu ließ mir der Pater keine Gelegenheit.
»Gehen Sie bitte schnell nach oben«, sagte er. »Wir haben schon genügend Zeit verloren.«
Als wir wieder ins Freie kamen, blendete uns das Sonnenlicht. Die Palmen, welche auf der Anhöhe ihre schuppigen Stämme in die Höhe reckten, warfen bizarre Schatten. Der kleine Park, der die Katakomben umgab, war inzwischen fast menschenleer. Die Touristenbusse hatten ihn verlassen. Nur wenige Einzelbesucher saßen an den steinernen Tischen, die zum Picknick einluden.
Wir suchten einen Tisch aus, etwas abseits im Halbschatten der Palmen, dann verschwand Gina zu den Toiletten. Als sie zurückkam, hatte sie ihre Bluse wieder richtig geknöpft und deren Ärmel gesäubert.
»Ich habe sie schnell mit Seife gewaschen«, flüsterte sie, als sie an den Tisch zurückkam. Die feuchten Ärmel klebten ihr an den schlanken Armen. Zum Glück schien die Sonne um die Mittagszeit kräftig, sodass Gina nicht fror und die Bluse schnell trocknete.
Ich verstand jetzt, warum sie den Picknick-Korb mitgenommen hatte. Es war hier sehr gemütlich während der Mittagspause. Weil die Katakomben früher weit außerhalb der Stadt angelegt worden waren, lagen sie auch heute noch am Stadtrand im Grünen. Das pulsierende Rom schien weit weg zu sein und ich begann, die ländliche Ruhe zu genießen.
Gina breitete auf dem Tisch eine karierte Leinendecke aus und legte Brot und Käse und ein Stück italienische Salami darauf. Dann schnitt sie das Brot auf und reichte mir eine Scheibe Käse.
»Lass es dir schmecken«, sagte sie. »Du hast es dir verdient, mein Liebling.«
Dabei lächelte sie so glücklich, dass sie aussah wie ein Engel, den sie hier zu den Gräbern bestellt hatten. Ihre Bluse war inzwischen wieder getrocknet, genüsslich schob sie sich Brot und Käse zwischen die vollen Lippen und man sah ihr an, dass sie sich sehr wohlfühlte.
Nach dem Essen legte ich mich auf die steinerne Bank neben unserem Tisch und blinzelte in den Himmel. Über mir bewegten sich die Palmwedel im leichten Wind. Wir waren jetzt die Einzigen, die sich noch in diesem Park aufhielten. Gina kam zu mir, nahm meinen Kopf auf ihren Schoß und streichelte mir über die Stirn.
»Schade, dass ich heute nicht mit an den Lido fahren kann«, sagte sie. »Ich muss am Nachmittag wieder nach Hause, damit ich da bin, wenn Francesco kommt.«
Während sie redete, bemerkte ich am Hügel bei den Toiletten eine Gestalt, die uns beobachtete: dunkelhaarig, mit Sonnenbrille, Jeans und Lederjacke.
»Gina, schau dort hinten, ein Typ, wir werden beobachtet«, flüsterte ich.
Sie blickte in Richtung der Toiletten, konnte aber nichts erkennen. Auch ich sah den dunkelhaarigen Kerl nicht mehr.
»Ich glaube, du leidest unter Verfolgungswahn«, lachte Gina. Sie beugte sich über mich und küsste mich zärtlich. Für einen Moment vergaß ich meine Angst und begann unsere romantische Pause wieder zu genießen. Aber nicht lange. Im nächsten Augenblick sah ich am Rand des Parks, seitlich neben dem Stamm einer Palme, einen dunkelhaarigen Kopf und einen Fotoapparat mit
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