Mainfall
ich Paul, der mit Anlauf ins Wasser sprang, und Corinna, die langsam über die Badeleiter ins Becken stieg. Prustend kamen beide auf mich zugeschwommen.
»Ist doch toll hier«, freute sich Paul. »Gut, dass wir noch ins Bad gegangen sind.«
Ich schwamm langsam in den tieferen Bereich des Beckens. Erfrischend war das. Mein Blick ging über die grünen Wiesen, die das Schwimmbecken umgaben. Unter Bäumen lagerten die Badegäste auf ihren Handtüchern und am Imbissstand hatte sich eine kleine Schlange gebildet. Hier lässt es sich ein paar Tage aushalten, dachte ich.
Im selben Augenblick spürte ich zwei kräftige Hände im Genick. Ich fuhr herum und glaubte noch aus den Augenwinkeln einen der beiden jungen Männer zu erkennen, die in dem grauen Lieferwagen gesessen hatten. Im nächsten Moment war ich unter Wasser. Der Kerl drückte kräftig zu. Ich strampelte und schlug um mich, aber er hatte meinen Hals so fest im Griff, dass ich mich nicht befreien konnte. Scheißkerl, dachte ich, und versuchte ihm in den Bauch zu treten. Aber er schien sehr stark zu sein. Ich trommelte mit beiden Fäusten auf seinen Bauch, doch meine Schläge prallten ab wie an einem Betonklotz, völlig ohne Wirkung. Allmählich wurde mir die Luft knapp. Sterne begannen vor meinen Augen zu tanzen und ich schluckte Wasser, aber der Kerl ließ nicht locker. Er drückte mich jetzt noch tiefer unter Wasser, bis ganz auf den Grund, stellte sich mit seinen Füßen auf mich, ließ mich dort so liegen, bis es mir schwarz vor Augen wurde. Ich kam erst wieder zu mir, als ich auf der Liegewiese des Schwimmbades lag, um mich herum sah ich nackte Beine und Bäuche und neugierige Augen, die mich anstarrten.
Der Bademeister kniete über mir, hatte seinen Mund auf meine Nase gepresst und blies mir seinen Atem ein.
»Er öffnet die Augen«, hörte ich die Leute auf Französisch sagen.
»Er lebt noch«, murmelten sie.
Ich suchte nach dem schwarzhaarigen Kerl, aber der war nicht in der Menge zu sehen. Dann hörte ich die Sirene eines Krankenwagens. Zwei Feuerwehrleute kamen auf die Wiese, legten mich auf eine Bahre und trugen mich vor das Freibad. Ich sah Paul und Corinna, die neben der Bahre gingen, ich wollte etwas sagen, aber ich brachte kein Wort heraus. Die beiden sahen mich entsetzt an. Ich hätte sie so gern getröstet, jedoch kam kein Laut über meine Lippen. Im Krankenwagen setzten sie mir eine Sauerstoffmaske aufs Gesicht, ich spürte den Stich einer Spritze, dann war da nichts, einfach nur nichts, bis ich in einem Krankenzimmer wieder zu mir kam, wo mich mein Bettnachbar freundlich begrüßte.
»Hallo«, sagte er auf Französisch, »wieder munter?«
Er stellte sich als Monsieur Legrand vor.
»König, Johann König«, sagte ich.
Gott sei Dank, dachte ich. Wenigstens wusste ich noch, dass ich der König von Aschaffenburg war, und hatte nicht wieder alles vergessen. Fast begann ich mein zweites Leben zu akzeptieren, das ich mir inzwischen in Aschaffenburg aufgebaut hatte. War man nicht der, zu dem man sich machte? Und ich war nun eben der König von Aschaffenburg.
»Sie haben Glück gehabt, wären fast ertrunken«, unterbrach mein Zimmernachbar meine Gedanken. »Professor Ducrot meinte, es grenze an ein Wunder.«
Glück gehabt, zum zweiten Mal Glück gehabt, dachte ich. Zuerst im Main, jetzt in diesem Schwimmbad. Aber irgendjemand wollte mich ins Jenseits befördern, das war sicher. Demnach hatte Kommissar Rotfux recht mit seinem südfranzösischen Erpresserring. Etwa eine halbe Stunde später ging die Tür auf und Isabell kam mit den Kindern ins Zimmer.
»Du machst ja Sachen«, begrüßte sie mich.
Sie kam ganz dicht ans Bett und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
Paul und Corinna sahen blass aus.
»Wir dachten, du bist tot«, sagte der kleine Paul und drückte meine Hand. In diesem Moment merkte ich, wie sehr er mich mochte.
»So schnell geht das schon nicht«, lachte ich, obwohl mir in Wirklichkeit gar nicht zum Lachen zumute war. Meine Gedanken kreisten um diesen schwarzhaarigen Kerl, der mich unter Wasser gedrückt hatte. Ich wollte Isabell warnen, denn wer wusste, was die beiden mit ihrem grauen Lieferwagen sonst noch im Schilde führten. Ich winkte sie also ganz dicht zu mir her und sagte ihr dann leise etwas ins Ohr.
»Nimm dich in Acht. Ich glaube, einer der beiden mit dem Lieferwagen hat mich unter Wasser gedrückt«, flüsterte ich.
Sie sah mich erstaunt an.
»Die … die sind wieder abgefahren«, stammelte
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