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Make it count - Gefühlsbeben (German Edition)

Make it count - Gefühlsbeben (German Edition)

Titel: Make it count - Gefühlsbeben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Price
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es sich so an, als ob ich hier aufgewachsen wäre. Mit nur drei Schritten bin ich bei ihm und nehme ihn fest in den Arm – aus Angst, sonst weinen zu müssen. Ja, so fühlt sich eine Umarmung an. Eine echte Umarmung, der ich gekonnt aus dem Weg gehe, in Boston und auch sonst wo.
    „Ich war mir nicht sicher, ob du kommst.”
    Während er mir sanft über den Rücken streicht, klammere ich mich fest an ihn. Er ist alles, was mir von damals geblieben ist.
    „Ich hatte eine Autopanne.”
    „Ist alles okay?”
    „Ja, mach dir keine Sorgen. Ein … Freund hat mich gefahren.”
    Eigentlich ist das eine Lüge, denn Jared und ich sind nicht befreundet. Wir kennen uns nicht gut genug, um von Freundschaft zu sprechen. Aber zu erklären, wie verwirrend die Beziehung zwischen uns ist, würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Außerdem würde es mich dazu zwingen, ernsthaft über die Art Beziehung nachzudenken, die wir haben könnten. Dave lässt mich langsam los, auch wenn ich noch ewig hier stehen könnte. Dann sieht er mich durchdringend an.
    „Ein Freund ?”
    „Ein Bekannter.”
    Das trifft es schon eher. Dave zieht eine Augenbraue nach oben und mustert mich genauer.
    „Ein Bekannter fährt dich von Boston nach Oceanside … ?”
    „Mhm.”
    Wie bescheuert es für ihn klingen mag, das will ich mir gar nicht ausmalen. Immerhin weiß er nur zu genau, wie sehr ich mich gegen jede Freundschaft oder Männerbekanntschaft wehre. Was er im Übrigen nicht gut heißt, und durch halbherzige Verkupplungsversuche zu ändern versucht.
    „Und wo ist dieser Bekannte gerade … ?”
    „Oh, er sieht sich die Stadt an.”
    Mir gefällt es nicht, wohin sich dieses Gespräch verlagert, deswegen greife ich nach seiner Krawatte und löse sie umständlich auf. Dave war noch nie besonders gut darin, sich die Krawatte zu binden. Viel mehr wirkt es, als würde er ein Lasso binden.
    „Wieso hast du ihn nicht mitgebracht?”
    „Er wird nicht in Oceanside bleiben. Er fährt heute noch nach Boston zurück.”
    Mit geübten und sicheren Handgriffen binde ich ihm die Krawatte so, dass sie ordentlich mit einem fast perfekten Knoten sitzt.
    „Lynn …”
    „Ja?”
    „Danke.”
    „Irgendwann musst du lernen, sie selber zu binden, Dave.”
    Er nimmt meine Hände in seine und lächelt mich an. Mein Herz will zerspringen, weil ich seinen Schmerz und seinen Verlust nicht nur sehen, sondern spüren kann.
    „Nicht dafür. Dafür, dass du immer wieder hier bist.”
    „Ich wüsste nicht, wo ich sonst sein soll.”

Kapitel 7
     
     
    S I M O N H O O K S
     
    Gone but never forgotten
     
    * August 23, 1992
    † April 12, 2010
     
     
    Mein Hals schnürt sich zu, als würde sich eine Stahlkette darum enger und enger legen. Dave steht neben mir und ich halte seine Hand. So, wie wir es immer tun. Seit drei Jahren. Jeden Monat. Ein festes, nie geplantes Ritual, das wir dennoch durch ein stummes Einverständnis einhalten. Ich verpasse es keinen Monat und bin immer hier, an seiner Seite. Kein Elternteil sollte jemals sein Kind zu Grabe tragen. Keine beste Freundin sollte ihren besten Freund so früh verlieren. Der Grabstein ist schlicht, ebenso die Gravur. Alles ist einfach, wie Simon es gemocht hätte.
    „Nun sind es schon drei Jahre. Nächsten Monat wäre er einundzwanzig geworden.”
    Dave starrt auf den kalten Marmorstein vor uns und schüttelt den Kopf, als könne er es noch immer nicht begreifen. Mein Brustkorb zieht sich zusammen, nur mit viel Mühe kann ich genug Luft in meine Lungen pumpen. Es schmerzt noch immer so sehr wie damals, als sie Simons Sarg hier aufgestellt hatten.
    „Verdammt!”
    Daves Körper zittert neben meinem und ich greife fester nach seiner Hand, versuche, ihm den Halt zu geben, den ich selber so dringend nötig hätte. Aber ich werde vor ihm nicht zusammenbrechen. Ich werde gar nicht zusammenbrechen, weil ich es dann akzeptieren müsste. Weil ich dann verstehen würde, dass Simon nicht wiederkommt. Noch kann und will ich das nicht.
    „Du fehlst mir, Junge.”
    Das sagt Dave immer. Alleine kommt er nicht her, weil er es nicht kann. Aber einmal im Monat will er seinen einzigen Sohn besuchen, den er viel zu früh verloren hat. Deswegen komme ich immer wieder hierher zurück, obwohl mein Körper sich dagegen wehren will. Obwohl hier alle Erinnerungen noch immer so präsent sind, wie an jenem Tag vor drei Jahren.
    Ich versuche, die Bilder von damals nicht wieder vor mein inneres Auge zucken zu lassen, versuche, seine Stimme zu

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