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Make it count - Gefühlsbeben (German Edition)

Make it count - Gefühlsbeben (German Edition)

Titel: Make it count - Gefühlsbeben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Price
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ignorieren, die wie verrückt durch meinen Schädel schrillt.
    Scheiße! Lynn! Scheiße! Lynn!
    Die Panik in seiner Stimme, als uns beiden bewusst wurde, dass es diesmal kein gutes Ende nehmen würde. Sein Blick, der mich angefleht hat, alles aufzuhalten, ihn zu retten – und schließlich der heftige Stoß gegen meine Brust, der mich auf den Boden fallen ließ. Dort, wo ich liegen geblieben bin und in zahlreichen Nächten immer wieder in meinen Träumen aufpralle.
    Dave legt die Blumen nieder und wischt sich die Tränen aus den Augen, bevor er sich zu mir dreht und den Kopf schüttelt. Wenn er wüsste, wieviel Kraft mich die Trips hierher kosten, er würde mich sofort persönlich nach Boston fahren. Deshalb spiele ich meine beste Rolle: die „tapfere Lynn”, die mit dem Verlust in all den Jahren immer besser klargekommen ist, und die ihm ohne Probleme den Halt geben kann, den er braucht. Wie es in mir aussieht und wieviel Mühe ich habe, nicht weinend zusammenzubrechen, das werde ich ihm nicht zeigen. Ich schenke ihm ein aufmunterndes Lächeln.
    „Willst du kurz mit ihm alleine sein?”
    Will ich das? Kann ich das? Langsam schüttele ich den Kopf und hake mich bei Dave ein.
    „Bringen wir dich lieber wieder nach Hause.”
    Was ich wirklich sagen will, das ist: Bring mich so schnell wie möglich hier weg! Während wir den Weg zurück zum Ausgang gehen, spüre ich die Kälte, die von meinem Körper Besitz ergreift. Sie umklammert meine Waden und jagt mir kalte Schauer die Beine hinauf. Jeder Schritt schmerzt, jeder Atemzug füllt meinen Körper mit noch mehr eisiger Kälte.
    „Simon wäre so stolz auf dich, Lynn.”
    Nein! Nein! Das darf er nicht sagen oder meinen.
    „Du hast es geschafft, du bist in Boston und hast …”
    „Nein, Dave. Tu das nicht.”
    „Was denn?”
    „Sag mir nicht, was ich alles erreicht habe. Sag mir nicht, wozu Simon nicht die Chance bekommen hat.”
    Denn genau das tut er. Er lobt Dinge, die wir zusammen erleben wollten, Simon und ich. Wir hatten große Pläne und wollten jeden Schritt des Erwachsenwerdens gemeinsam durchstehen. Jetzt ist er nicht mehr da und ich kämpfe mich durch mein Leben, mehr als dass ich es wirklich lebe. Am Ausgang bleiben wir stehen.
    „Du bist ein gutes Mädchen, Lynn. Lass dir niemals was anderes einreden.”
    Ich schlucke hart, weil er nicht die ganze Wahrheit kennt, und ich sie ihm nicht sagen kann. Nicht sagen will, weil er dann wüsste, was wirklich passiert ist, und wie schwach ich war. Wieder schüttele ich den Kopf.
    „Nein.”
    „Doch. Es macht mich traurig, dich so zu sehen.”
    Dabei kämpfe ich mit aller Macht gegen die Tränen und lasse ihn nicht ahnen, wie sehr ich jetzt gerne woanders wäre. Wie sehr ich mir eine Umarmung wünsche. Von Jared. Ausgerechnet jetzt muss ich an ihn denken! Ich stelle mir vor, wie er sanft seine Arme um mich legt und mich festhält. Mich zusammenhält, während ich auseinanderzubrechen drohe. Dave greift nach meinem Kinn und hebt meinen Kopf leicht an, damit ich ihm in die Augen sehen kann. Ein sanftes Lächeln liegt auf seinem Gesicht, das mir so vertraut ist. Das Gesicht des Mannes, der mehr für mich getan hat, als mein eigener Vater.
    „Lynn, du hast gesehen, wie schnell es vorbei sein kann. Von einem Tag auf den anderen. Make it count . Jeden Tag. Das bist du ihm schuldig.”
    Seine Worte treffen einen Nerv in mir, den ich für tot gehalten habe. Aber jetzt schwingt er wie eine angeschlagene Gitarrensaite und lässt meine Organe vibrieren. Lebenshunger … Ist es das? Ich greife in meine Hosentasche und ziehe das Geld hervor.
    „Hier.”
    Er starrt auf das dicke Geldbündel in meiner Hand und scheint sich nicht sicher zu sein, ob er es annehmen soll oder lieber nicht. Ich weiß, dass es seinen Stolz verletzt – aber notwendig ist. Seit Simons Tod ist vieles anders. Dave braucht Geld, um über die Runden zu kommen, denn was er als Frührentner bekommt, reicht eigentlich nicht zum Überleben. Ich weiß, dass Simon ihm unter die Arme gegriffen hätte. Er ist nicht mehr da. Deswegen tue ich es.
    „Nimm es schon.”
    „Lynn …”
    „Nimm es!”
    „Du sollst das nicht mehr tun, hörst du?”
    „Ich muss es aber tun.”
    „Nein, ich kann …”
    „Das bin ich ihm schuldig.”
     
     
    Als Dave in seinen Wagen steigt und ich ihm zuwinke, während er über die Straßen zurück nach Hause fährt, fühlt sich mein Herz unendlich schwer an. Oceanside ist einer jener Orte, an dem Kinder bis spät abends auf

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