Make it count - Gefühlsbeben (German Edition)
hätte mich auf dem Weg hierher fast verlaufen.”
Ein kurzes Lächeln huscht über sein Gesicht. Ich greife nach seiner Hand und ziehe ihn zu mir. Bisher war jeder Gedanke an die Zukunft ein unangenehmer Gedanke. Wenn aber einige meiner zukünftigen Tage mit Jared und einem gemeinsamen Frühstück beginnen sollten, kann ich damit sehr gut leben.
„Ich habe Pancakes gemacht.”
Das sage ich nicht ohne Stolz, denn besonders oft habe ich das nicht gemacht – und werde es vermutlich auch nicht so schnell wiederholen. Als Dankeschön drückt er mir einen Kuss auf die Wange.
„Das wäre nicht nötig gewesen.”
„Ich habe es gerne gemacht.”
Sein Lächeln wird etwas breiter und er nickt dankbar, während ich ihn zum Tisch ziehe und er neben mir Platz nimmt. Jane beobachtet uns einen Moment und schenkt mir ein warmes Lächeln, als unsere Blicke sich treffen. Jared spießt mit der Gabel einen der Pancakes auf und legt ihn mir auf den Teller.
„Pläne für heute?”
Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass wir so schnell wie möglich nach Boston verschwinden, aber inzwischen habe ich es nicht mehr so eilig. Ganz im Gegenteil, wenn es nach mir ginge, würde ich unseren Abschied aus Oceanside gerne noch etwas hinauszögern. So kenne ich mich gar nicht mehr. Mit Gefühlen ist es wie mit Menschen: Man merkt immer erst, was man vermisst, wenn es nicht mehr da ist. An das Gefühl, entspannt in den Tag zu starten, könnte ich mich übrigens ebenfalls gewöhnen. Mit Jared, wenn es nach mir ginge.
„Keine Ahnung. Gibt es in Oceanside noch etwas, das ich sehen müsste?”
Sein Blick wandert über meinen Körper. Bilder der vergangenen Nacht schießen wie Feuerwerkskörper durch meine Erinnerung: Jareds Körper auf meinem, seine Küsse, seine Hände …
„Vielleicht würde ich dir tatsächlich noch – ”
„Lynn? Lynn, bist du da?”
Die Stimme meiner Mutter unterbricht mich und meine Gedanken. Als wäre jede Verbindung zu meinem Gehirn plötzlich durchtrennt worden, verstumme ich und starre Jared aus großen Augen an. Meine Eltern sollten doch in New York sein! Oder etwa nicht? Die Antwort auf meine Frage taucht gerade in der Küche auf: meine Mutter. Und mein Vater. Jared wirkt mit einem Mal etwas nervös und wischt sich die Hände an der Serviette ab.
„Mom … Dad …”
„O wie schön! Du bist noch da! Wir sind extra früher aus New York zurückgekommen, in der Hoffnung, dich noch mal zu sehen.”
Das ist eine nette Geste. Nur das Timing ist bescheiden. Meine Mutter mustert Jared kurz und setzt dann zum Übergriff an. Lächeln, strahlen, einnehmen. Mit ausgestreckter Hand stolziert sie auf uns zu.
„Wir wurden uns gestern nicht ausreichend vorgestellt. Judith Preston.”
Jared steht auf, weil es sich so gehört, und nimmt die Hand meiner Mutter sofort an.
„Jared Parker. Sehr angenehm, Sie kennenzulernen, Mrs. Preston.”
Das klingt viel zu gezwungen in meinen Ohren. Ich befürchte, es wird noch schlimmer. Mein Vater taucht hinter meiner Mutter auf. Sein Blick lässt keinen Zweifel daran, dass er wenig begeistert ist, einen fremden Mann in seinem Haus zu finden.
„Phil Preston.”
Jared nickt ihm möglichst freundlich zu, aber die Stimmung sinkt stetig in Richtung Gefrierpunkt. Da kann meine Mutter noch so sehr ihre beste Happy-Family-Performance an den Tag legen – es wird nicht reichen, um diese Szene zu retten. Dafür müsste wahrlich Meryl Streep ihre Rolle besetzen.
„Phil, schau dir nur das Frühstück an! Zum Glück haben wir nicht im Hotel gegessen.”
Meine Eltern nehmen auf ihren angestammten Stühlen Platz und Jane bringt schnell zwei weitere Teller. Ich nutze diese Ablenkung, um Jared einen kurzen Seitenblick zuzuwerfen. Er wirkt zerknirscht, dabei müsste er das gar nicht. Meine Eltern mögen zwar reich sein, aber ihre größte Superpower ist die Langeweile. Sie können ihm nichts anhaben. Mein Lächeln soll ihm Mut machen, scheint das Ziel aber zu verfehlen.
„Nun Jared, erzählen Sie doch mal. Wie haben Lynn und Sie sich denn kennengelernt?”
Da kann man noch so volljährig sein, wenn man mit seinen Eltern und dem Freund am Tisch sitzt, wird es immer früher oder später peinlich. Mein Dad, ganz der studierte und eloquente Anwalt, wendet sich direkt an Jared und schenkt ihm ein kühles Lächeln. Auf ein solches Zusammentreffen sind wir beide nicht vorbereitet. Ich bin mir ja noch nicht mal sicher, wie die Dinge zwischen mir und Jared nach der gestrigen Nacht stehen.
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