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Make it count - Gefühlsbeben (German Edition)

Make it count - Gefühlsbeben (German Edition)

Titel: Make it count - Gefühlsbeben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Price
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Ballast. Eine Bürde, die mich all die Jahre immer weiter zu Boden gedrückt hatte, und die sich nun, Stück für Stück, in Luft auflöst.
    „Ich habe mit dem Sport aufgehört. Nach Simons Tod.”
    Bis zur gestrigen Nacht war ich in keinem Stadion mehr, habe keinen Fuß mehr auf eine Laufbahn gesetzt – und wäre auch sicher nicht mehr gelaufen. Gestern war das große Comeback. Das letzte Comeback?
    „Verstehe.”
    Er küsst meinen Nacken und ich schließe kurz die Augen. In wenigen Stunden müssen wir zurück nach Boston. Zurück in die Welt, in der ich eine andere Lynn geworden bin. Was uns dort erwarten wird, weiß ich nicht und das macht mir etwas Angst. Dort dürfen die Leute nicht zu viel über mich erfahren. Außerdem …
    „Das Kensington hat keine Laufmannschaft, dort muss ich keine Ausreden finden.”
    „Fehlt es dir?”
    Eine berechtigte Frage. An manchen Tagen fehlt es mir tatsächlich. Nicht das Laufen an sich, sondern das Gefühl von damals. Schneller als der Wind zu sein … Rennen, ohne über die Ziellinie nachdenken zu müssen. Einfach nur rennen. Das haben Simon und ich gerne gemacht. Jared scheint zu spüren, dass ich wieder in Erinnerungen versinke. Er greift nach meiner Hand.
    „Lynn, das mit Simon tut mir schrecklich leid. Ich hätte ihn gerne kennengelernt.”
    Ich drehe mich in seinen Armen, um ihn ansehen zu können. Ein trauriges Lächeln auf seinen Lippen empfängt mich, als er mich enger an sich zieht.
    „Aber du musst aufhören, mit diesem Schmerz zu leben. Das wird dich kaputt machen.”
    „Das weiß ich!”
    Ich habe es nur noch nicht geschafft, dieses Wissen auf meinen Alltag anzuwenden. Was mich am meisten überrascht, ist die Sorge in seiner Stimme. Die Art, wie er mich an sich zieht, als wolle er mich vor all diesen Gedanken beschützen. Ich weiß, dass Jared mich zu verstehen versucht, aber er kann nicht wissen, wie es ist.
    „Er hätte das nur auch alles verdient. So sehr.”
    Tränen wollen in meine Augen steigen, aber Jared schüttelt sanft den Kopf und küsst schnell meine Lippen, als könne er mir den Schmerz der Erinnerung nehmen. Und fast gelingt es ihm. Bevor die Tränen gewinnen, lehne ich mein Gesicht schnell an Jareds Hals. Ich weiß, dass es keinen Ort gibt, an dem ich mich jemals sicherer gefühlt habe. Seine Hand streichelt meinen Rücken und ich spüre dieses Gefühl in meinem Inneren, das sich ausbreitet und nicht aufzuhalten ist. Es ist ein Gefühl, dass mir mal sehr gut vertraut war und das ich dann verloren habe. Jetzt ist es wieder da. In den vergangenen Jahren hat es manchmal versucht, mich einzunehmen, mich zu überwältigen, aber bis jetzt habe ich dem nie nachgegeben. Jetzt spüre ich es aber viel zu deutlich, als dass ich es verleugnen könnte. Ich verliebe mich gerade. Hals über Kopf, Herz über Verstand. Einfach so.
    „Jared, erzähl mir mehr über dich.”
    Seine Umarmung wird etwas fester, als er nachzudenken scheint. Ich will alles über ihn wissen, jedes Detail, alle Facetten, die er zu bieten hat.
    „Meine Mom ist recht früh gestorben. Dann waren es nur noch Pa, Jason und ich …”
    Jason … Meine Hand greift automatisch nach der Hundemarke, die er noch immer nicht abgenommen hat.
    „Dein Bruder.”
    Ich drehe einen der beiden Anhänger in meiner Hand und lese nun in Ruhe den vollen Namen: „Jason Christopher Parker”. Ich bringe etwas Abstand zwischen uns und sehe Jared fragend an. In seinem Gesicht erkenne ich den Anflug von Schuld, in seinen Augen spiegelt sich ein mir bekannter Ausdruck wider: Reue.
    „Jason war ein erstklassiger Soldat. Keiner von denen, die nur Befehle ausführen konnten. Schon auf der Militärakademie in West Point haben sie ihm gesagt, dass er eine große Karriere vor sich haben könnte. Wenn er keinen Unsinn macht.”
    Seine Stimme verrät Gefühle, die er zu lange in seinem Inneren verborgen gehalten hat. Mir fallen die vielen Seitenhiebe zum Thema „Soldat” wieder ein, die Trevor an so manchem Abend in einem betrunkenen Ton von sich gegeben hat. Bemerkungen, die Jared immer so wütend gemacht haben. Sein wunder Punkt. Sein Bruder.
    „Er fehlt mir.”
    Bevor ich in seinen Augen lesen kann, wie sehr ihm sein Bruder fehlen muss, schließt er sie und dreht den Kopf von mir weg, was ich nicht zulassen werde. Jetzt weiß ich, weswegen ich immer zu ihm hingezogen war. Es ist der Schmerz, der uns verbindet. Wir beide müssen eine Lücke in unseren Leben füllen, die nicht mehr verschwindet. Vermissen ist

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