Make Me Gluecklich
besondersdreiste Schaulustige hatten sich direkt neben den Kofferberg gestellt, und von Weitem sah es so aus, als hätte einer sogar seine Videokamera gezückt und würde das Ganze filmen.
Ich konnte mich des Eindrucks nicht mehr erwehren, als hätte ich die hilfesuchende Frau schon mal irgendwo gesehen.
Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Vor mir hatte ich meine Klientinnen, keine Frage. Die jüngere Frau war Denise Westerweg – ihr Foto klebte an den Unterlagen, die sicher in meinem Koffer verstaut waren. Die rundliche Rothaarige, die da mit dem Polizisten rangelte, konnte niemand anders sein als ihre Mutter; die Ähnlichkeit war nicht zu übersehen. Bei den Schaulustigen handelte es sich dann wahrscheinlich um das Fernsehteam; die Kamera auf der Schulter des Mannes war ein hoch professionelles Teil, das ich schon einmal bei einem Kumpel von Sven gesehen hatte.
Nur die Polizisten und die aufgeregte Supermarktangestellte passten nicht ins Bild.
Beziehungsweise nicht in ein Bild, das mir gefiel.
Hier lief irgendetwas gewaltig schief.
Eine meiner Klientinnen stand offensichtlich kurz davor, verhaftet zu werden. Und das vor laufender Kamera – ein wahres Geschenk für die Fernsehfritzen! Meine Mutter würde einen Herzschlag kriegen oder nie wieder auch nur ein Wort mit mir sprechen (oder beides), wenn ich nicht augenblicklich dazwischenging und rettete, was zu retten war.
Adrenalin schoss durch meinen Körper und sorgte dafür, dass ich mich fühlte wie »Superwoman«.
Ich trat zu der versammelten Schar und rempelte den Kameramann mit einem hastigen »Oh, Entschuldigung!« so an, dass er ordentlich aus dem Gleichgewicht geriet. Gleichzeitig sagte ich mit erhobener Stimme und dembreitesten Lächeln der Welt: »Guten Tag! Ich kann sicher helfen, meine Damen und Herren. Das alles muss ja ein Missverständnis sein, weiter nichts! Lassen Sie uns in Ruhe darüber reden – ich bin Nora Tessner, übrigens, und freue mich, Sie kennenzulernen! Tessner von Matches Worldwide , natürlich . . . äh.« Meine Mutter wäre stolz auf mich gewesen, aber ich würde mich in Grund und Boden schämen – später.
Mein Auftritt hatte nicht ganz den gewünschten Effekt. Irgendjemand lachte, die Supermarktverkäuferin fing wieder an zu jammern, und die Polizisten sahen mich ungläubig an, als hätte ich ein unsittliches Angebot gemacht oder so was. Immerhin hörte der Große von ihnen auf, Frau Westerweg zu umklammern. Der Kameramann hinter mir (dem ich geschickt die Sicht versperrte, wie ich hoffte) fluchte leise und beschwerte sich bei irgendjemandem.
Was mich irritierte, war das breite Grinsen auf Brigitte Westerwegs rundem Gesicht. Sie wirkte überhaupt nicht wie jemand, der verhaftet werden soll.
»Na, datt ist gut! Datt ist gut, was, Rainer? Frau Tessner! Den Rainer hab ich doch grade wiedergesehen nach 45 Jahren, verstehen Sie? Aber das freut mich, dass Sie sich so für Ihre Kunden einsetzen! Da hat Ihre Mutter nicht zu viel versprochen!« Sie tippelte zu mir herüber und schüttelte mir energisch die Hand.
»Ich . . . äh . . .« Ich spürte, wie mir langsam, aber sicher das Blut in die Wangen stieg.
Brigitte Westerweg griente immer noch. »Datt ist meine Denise, wie Sie sich ja denken können – ich stell jetzt einfach mal alle vor, das ist der Peter, die Esther, die Frau Leuthäuser, die zwei netten Herrn kenne ich nicht, aber das hier ist der Rainer, aus der Grundschule in Bad Honnef – stellen Sie sich mal vor! Da steh ich nichtsahnend in dem Laden hier, und da geht der Rainer vorbei, als Polizist,Jahrzehnte später! Man glaubt es nicht, oder? Dass ich ihn überhaupt noch kenne ist wegen der Erika, meiner Freundin, die . . . aber ist ja auch egal! Waren das nun alle? Und Sie sind die Nora, wie? Ja schön, ich freu mich!« Und wieder schüttelte sie mir die Hand, ganz rheinische Frohnatur.
Unser trautes Kennenlernen wurde vom nölenden Ton der Supermarktangestellten unterbrochen. »Also jetzt müssen Sie aber schon mal was unternehmen, Herr Wachtmeister – ich will jetzt mein Geld! Oder ich will die Ware zurück! Ist ja gut, wenn Sie die Dame kennen, aber ich kenne sie nicht und . . .«
Denise Westerweg, die mir ebenfalls enthusiastisch die Hand geschüttelt hatte, mischte sich ein. »Was sind wir denn schuldich? Wenn Sie mir das doch endlich mal sagen würden, dann wären wir alle glücklich und die Frau Tessner hätte nicht so einen Schreck gekriegt!«
»Ja, ich weiß ja nicht, wie viele Drops
Weitere Kostenlose Bücher