Make Me Gluecklich
und Esther standen bereits mit mehreren Taschen und umgehängter Kamera am Straßenrand. Es war eine Minute vor halb zehn. Weit und breit gab es kein Fahrzeug zu sehen, das einem Kleinbus ähnelte und Anstalten gemacht hätte, vor dem Hotel zu halten. Ich trat strahlend zu den beiden und begann ein Gespräch über meine Erfahrungen mit dem rbb. Ich wusste, dass Medienleute gern über ihren Job sprachen.
Als die Westerwegs eine Minute später zu uns stießen, beschwingt plappernd und voll positiver Energie, trat ich möglichst unbemerkt zwei Schritte zur Seite und rief einletztes Mal im Büro an. In diesem Moment tauchten gleichzeitig Frau Leutberger aus dem Hotel und zwei gelbe Taxis aus der Seitenstraße auf, und ich gab auf.
»Überraschung!«, verkündete ich strahlend, während die beiden Wagen genau vor unserer Nase hielten. »Als kleine Einstimmung auf Manhattan gönnen wir uns heute Morgen zwei echte gelbe Taxis! Der Bus stößt später zu uns. Das ist heute früh zu langweilig! Ich hoffe, das ist für alle okay!« Ich wagte nicht, Frau Leutberger anzusehen; ich vermutete, dass sie eine plötzliche Veränderung von Plänen nicht schätzte. Stattdessen eilte ich fröhlich grinsend zum Kofferraum des vorderen Taxis, riss den Deckel auf (ein Wunder, es klappte!) und half Peter und Esther, ihre Utensilien darin zu verstauen. Biggy und ihre Tochter kletterten schnurstracks und Frau Leutberger hinter sich herziehend in das zweite Taxi, dessen Fahrer sie sofort mit ihren Englischkenntnissen beglückten.
» Follow ssis cah !«, rief Biggy und feixte. Sie hatte offensichtlich auch zu viele Filme gesehen.
Ich hüpfte zu Peter und Esther in den ersten Wagen.
»Fifth Avenue, Ecke 19th West«, verkündete ich professionell und erlaubte mir, ein ganz klein wenig stolz auf mich zu sein. Eine schwierige Situation elegant gemeistert – das durfte man doch behaupten, oder?!
Fifth Avenue klingt einfach toll, finde ich. Fand ich immer schon: Als meine Mutter vor sechs Jahren die New Yorker Filiale von Matches Worldwide gründete und auch noch mit einer solchen Adresse aufwartete, war ich tatsächlich ein kleines bisschen beeindruckt gewesen. Obwohl ich über ihre Profession immer die Nase gerümpft hatte und nie etwas damit zu tun haben wollte, erwähnte ich den Standort damals meinen Freunden gegenüber doch hin und wieder. Aber ich hielt mich immer zurück und bot meiner Mutter nie an, in ihrer Filiale nach dem Rechten zusehen – so leicht käuflich war ich nicht. Ich nahm ihr gegenüber nie ein Blatt vor den Mund: Meiner Meinung nach war ihr Beruf unseriös, besonders so, wie sie ihn betrieb – sie veranstaltete irgendwie eine Art Lotterie. Folien, die übereinandergelegt wurden – was sollte das denn aussagen?!
Aber Fifth Avenue! Klang das nicht wichtig und seriös, nach Geld und Glamour zugleich?! Jetzt freute ich mich jedenfalls darauf, das Büro meiner Mutter (also ein bisschen auch meins) zu betreten. Zwar wurde die Prachtstraße mit jedem weiteren Block weniger glamourös, aber sie blieb die Fifth, auch über das Empire State Building hinaus. Die Wolkenkratzer wurden zwar kleiner, aber das Gebäude, vor dem das Taxi schließlich hielt, hatte immer noch zwanzig bis dreißig Stockwerke und war gut in Schuss. Es hatte die typische New Yorker Markise, was mich besonders freute, warum auch immer.
Alles wird gut, feuerte ich mich an, bevor ich aus dem Taxi sprang. Ich wollte besonders cool aussehen, weil Peters Kamera schließlich alles mitbekam, doch ich knickte vor lauter Schwung mit dem Fuß um und verzog das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse. Na ja, es kann nicht alles klappen – ein lässiges Lächeln in Richtung des rot leuchtenden Kameraauges und die Hoffnung, sie würden diesen Augenblick ohnehin rausschneiden . . .
An der Spitze meiner Truppe zog ich in das Gebäude ein. Schon von Weitem entdeckte ich das Schild (unter etwa fünfzig anderen, aber egal) – MATCHES WORLD-WIDE, ELIANE TESSNER. Es war ein kleines Schild, direkt unter dem größeren, messingfarben glänzenden Hinweis: MR. & MRS. RIGHT – MARRIAGE BROKERS . Das musste die amerikanische Partnerfirma sein, in deren Räumen meine Mutter untergekommen war. Bei den Unterlagen, die sie mir mitgegeben hatte, war auch eine Vereinbarung zwischen Matches und Mr. Right gewesen: MeineMutter zahlte eine monatliche Summe für Miete und Strom; die gegenseitige Zusammenarbeit beinhaltete regelmäßiges Abgleichen von Kundendateien, um
Weitere Kostenlose Bücher