Make Me Gluecklich
Leutberger die Verfolgung aufgenommen. Sie wusste offensichtlich genau, wo das Treppenhaus war, und rannte voraus, während Peter und Esther noch einen Augenblick brauchten, um ihr Equipment zu packen. Sie liefen ihr nach, fanden auch das Treppenhaus, nicht jedoch ihre Chefin. Sie riefen nach ihr, bekamen aber keine Antwort. Dann machten sie sich auf den Weg nach unten, weil sie vermuteten, Brannigan habe mich aus dem Gebäude gebracht. In der Halle sagte ihnen der Doorman, keine Menschenseele sei bei ihm aufgetaucht, weder wir noch die Leutberger.
Oben war sie aber eindeutig auch nicht, und auch sonst nirgendwo. Die Westerwegs und Katherine durchsuchten die Büros im 15. Stock, und Peter und Esther nochmal das Treppenhaus.
Sie waren alle nicht wenig verblüfft und auch ein bisschen besorgt – drei Leute wie vom Erdboden verschluckt, am helllichten Tag in einem belebten Gebäude. Da konnte etwas nicht stimmen.
Katherine hatte den Doorman gebeten, sich im Kellergeschoss umzusehen, wobei Esther ihn begleitet hatte. Nirgendwo war eine Spur der Leutberger zu finden. Wenigstens wir seien wieder da, wisperte Brooke mit flatterndem Blick und lächelte Brannigan sehr herzlich zu.
»Aber wo wart ihr denn?«, flüsterte Biggy mir neugierig zu.
Ich winkte ab und murmelte: »Später«.
In der Sekunde fiel mir siedendheiß ein, dass wir ja einen Termin hatten. »Um Gottes willen, wie spät ist es? Wir sind verabredet, wir haben ein date mit Steven, er ist unsere . . . na, jedenfalls müssen wir da unbedingt hin! Jetzt!«
Es war zwanzig vor zwei, wie sich herausstellte. Es war allerhöchste Zeit, wenn wir nicht gnadenlos zu spät kommen wollten. »Verdammt!«, sagte ich.
»Aber wir können doch nicht . . . Sabine ist vielleicht etwas zugestoßen!« Esther setzte sich für ihre Chefin ein; das war ja auch in Ordnung.
»Ja, sicher. Aber eigentlich glaube ich das nicht – was soll ihr denn zugestoßen sein? Sie ist doch eine erwachsene Frau, oder? Im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte? Sie hat das Gebäude nicht verlassen und liegt auch nirgendwo mit gebrochenem Bein. Vielleicht hat sie sich verlaufen und jemanden kennengelernt, der sie auf einen Kaffee eingeladen hat . . .« So richtig überzeugend fand ich meine Vermutung selbst nicht.
»Und wenn sie die falsche Tür genommen hat und jemand hat sie sich . . . geschnappt?!« Denises Augen waren groß und erschrocken.
»Das halte ich für unwahrscheinlich. Es ist nur . . .« Peter wirkte ein wenig verlegen.
»Was, nur?«, fragte ich misstrauisch.
»Na ja, sie hat . . . Sabine hat vielleicht ein oder zwei Gläser zu viel von dem Prosecco abgekriegt. Sie war äh . . . nicht mehr ganz so sicher zu Fuß . . .«
Das war es also, was mir vorhin aufgefallen war: Die Leutberger hatte gesoffen! Was die Situation natürlich wirklich ein wenig verschärfte. Aber wir mussten trotzdem los, wir hatten keine andere Wahl!
Brannigan, der seltsamerweise verstanden hatte, was los war, obwohl wir Deutsch sprachen, mischte sich ein. »Fahren Sie, jetzt gleich. Wir werden hier weitersuchen. Sie beide . . .«, er nickte Peter und Esther zu, »sollten allerdings hier bleiben, für alle Fälle . . .«
Niemand widersprach, auch ich nicht. Ich gönnte ihm allerdings keinen Blick, während ich Brooke die Anweisung gab, das Telefon zu besetzen (Don!), und michdann mit den beiden Westerwegs auf den Weg machte. Wir mussten uns ernsthaft beeilen, Leutberger hin oder her . . .
Eine Minute später bemerkte ich, dass ich das riesige Stück Schinken immer noch im Arm hielt, nur dass ich diesmal nicht in einem Taxi saß, sondern in Rafs Lieferwagen. Seufzend rollte ich den Brocken auf den Sitz neben mir und bat Raf, ihn seiner Frau mitzubringen. Joe und Edna würden mir verzeihen, wenn sie es wüssten, redete ich mir ein. Der Schinken kam mir irgendwie vor wie die Fleisch gewordene Summe all meiner New Yorker Probleme.
Es war das erste Mal, dass wir ohne das aufdringliche Auge der Kamera unterwegs waren. Ich fand es angenehm, aber Biggy sagte, kaum dass wir in Rafs Wagen saßen: »Man fühlt sich ja fast nackig ohne die drei!«
Mir ging es besser ohne die Leutberger. Ich hatte zwar ein schlechtes Gewissen – wer weiß, was ihr passiert war! –, aber ich bin eben auch nur ein Mensch. Und mir kam der Gedanke, während wir in Richtung Süden düsten, dass dieses date vielleicht unter einem glücklichen Stern stehen könnte, gerade weil es unbeobachtet sein würde . . .
Als nicht ganz so
Weitere Kostenlose Bücher