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Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Titel: Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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schön.“
    „Mit einem Flugzeug ginge das ganz
schnell.“
    „Das können wir uns nicht leisten.
Da hast du dir die falsche Familie ausgesucht!“
    „Man sucht sich seine Familie nicht
aus“, erwidere ich gedankenverloren.
    Sie schaut gekränkt und beginnt,
den Tisch abzuräumen. Ich bin verwirrt.
    Mein Vater kommt herein. Sein Blick
ist getrübt und er riecht nach Kneipe.
    „Wo warst du?“, frage ich.
    „Lotto wegbringen“, sagt er.
    „Dein jüngster Sohn hätte gern eine
andere Familie“, verkündet meine Mutter ihr Fazit unseres Gespräches, während
sie vor dem Schrank in die Hocke geht, und die Marmelade einräumt.
    „Mmh“, erwidert mein Vater und
verlässt die Küche.
    Was ist denn hier los?
     
    Montagabend geht meine Mutter zum
Turnen. Es ist, solange ich denken kann, der einzige Abend, an dem sie ohne meinen
Vater weggeht. Im Fernsehen läuft der Heimatfilm Wo die alten Wälder
rauschen . Der böse Herr Rehm kümmert sich nicht um seinen Sohn, den kleinen
Nils. Wie traurig. Da rauscht mir das Blut in den Ohren, und das Schnarchen
meines Vaters hallt rasselnd durchs Wohnzimmer. Ich überlege kurz, ob ich ihn
nach einem Batteriefach abtaste, um die leeren Akkus auszutauschen. Obwohl ich
in der Zukunft viel Zeit allein verbringen werde – hier und heute fühle ich
mich einsam. Papa verschluckt sich, wacht hustend auf.
    „Kann ich umschalten?“, frage ich.
    Ich muss das knappe Zeitfenster
nutzen, bevor er wieder wegdämmert.
    „Ich guck’ das“, entgegnet er,
lehnt sich zurück und kämpft darum, die Augen offen zu halten.
    Vergeblich.
    Ein bisschen Musik wäre nett. In
meinem Zimmer gibt es nur einen Radiowecker. Ich gehe die Treppe hinauf,
durchquere den Flur mit dem himmelblauen Holzfußboden und betrete das Zimmer
meines Bruders. Es ist viel größer als meins und liegt nach hinten raus. An den
Wänden Poster von Atompilzen. Darunter steht „Why“. Die Bleistiftzeichnung
einer gekreuzigten weißen Taube. Im Hintergrund marschieren Atomraketen. Helle
Kiefermöbel, ein altes Sofa, dazwischen die Stereoanlage. Ich setze mich auf
den Teppichboden und durchforste die Plattensammlung. Schrott, Schrott,
Schrott. Ah! Ich muss zugeben, dass ich Michael Jackson erst so richtig nach
seinem Tod zu schätzen weiß. Ist ja häufig so. Und Thriller ist wirklich
ein großartiges Album.
    Wanna Be Startin’ Somethin.
    Ich auch Michael. Ich auch.
    Auf dem Schreibtisch steht der C64 .
Für mein Vorhaben ungefähr so nützlich wie ein Brotkasten.
    Denk nach, Nori! Wie lang dauert
eine Reise nach London? Das Timing muss stimmen. Wenn ich mich zu früh auf den
Weg mache, werden meine Eltern Großalarm auslösen. Ich muss dafür sorgen, dass
mein Vater mich nicht sucht. Man nimmt die Fähre von Calais nach Dover. Wo zum
Henker ist denn noch mal Calais? Mein Blick wandert über die Regale. Ein
Weltatlas. Bestens. Index. Calais. Genau. Nord-Frankreich. Verflucht! Die Sache
wird kompliziert. Ich brauche Geld und Informationen. Wieder mit dem Auto
fahren kommt nicht infrage. Infos sollten im Reisebüro zu bekommen sein. Geld?
Wir werden sehen. Vielleicht sollte ich jemanden ins Vertrauen ziehen. Aber mir
fällt niemand ein, der mir meine Geschichte glauben würde. Das Gefühl der
Einsamkeit wird stärker. Ich schalte Michael aus und schließe die
Plattenspielerabdeckung, damit er nicht verstaubt.
     
    Ich träume Seltsames in dieser
Nacht. Die 8a bevölkert den Pavianfelsen. Sie führen sich auf wie Affen. Timm
Becker liegt blutend zu meinen Füßen. Er rührt sich nicht, und ich habe Angst,
dass ich ihn ernsthaft verletzt habe. Ich traue mich nicht, ihm das Sweatshirt
vom Kopf zu ziehen. Die Affen springen wild brüllend umher, als wollten sich
mich anfeuern, es doch zu tun. Als ich mich überwinde, neben Timm in die Hocke
gehe, drehen sie völlig durch. Der Lärm ist ohrenbetäubend. Ich strecke
zögerlich den Arm, fühle die vom Blut feuchte Baumwolle des Sweatshirts, und
ziehe es mit einem Ruck weg. Es ist nicht Timm, der da liegt. Es ist mein
Vater.
     
     
     
     
     
     
     
Dienstag,
9. Juli 1985
     
     
    Der Wecker erlöst mich. Meine
Mutter lässt sich heute Morgen nicht blicken. Ich gehe ins Bad, ziehe mich an
und verlasse das Haus. Ich bin früh dran. Nur wenige Kinder begleiten mich auf
dem Weg zur Schule. Ich habe keinen Bock auf Musik. Mir ist unwohl, und ich
fühle mich beobachtet. Aber als ich mich umschaue, ist da niemand, der mir
besondere Beachtung schenkt. Kopfschüttelnd gehe ich weiter und

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