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Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Titel: Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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immer Skateboard fahren und uns wie Marty McFly vorkommen, stehen die Anderen. Bettina trägt heute enge Jeans, ein helles
T-Shirt mit dunkler Weste, ein rotes Bandana mit hellem Muster auf dem Kopf.
Wie eine Piratin. Jörg sieht mich und beginnt albern zu tanzen. Dabei zielt er
mit den Zeigefingern auf mich wie mit zwei Colts. Ich erwidere die Geste und
nicke rhythmisch mit dem Kopf. Zwar komm ich mir blöde vor, aber Bettina lacht,
darum ist es in Ordnung.
    „Freitag geht klar“, erklärt Claudia,
Thomas im Arm.
    „Geil“, freut sich Klaus, und boxt
mir auf den Oberarm. „Das wird voll geil.“
    Die Schulglocke klingelt.
    Wir betreten das Gebäude. Die Gänge
sind breit, mit weißen Säulen und roten Kacheln. Das Geplapper der Schüler
hallt. Ich gehe langsam, damit jemand anders die Führung übernimmt. Ein paar
ältere Schüler rempeln mich an. Ich folge Klaus und Martin die Treppe hinauf,
dann in den ersten Flur links. Dort die erste Türe auf der rechten Seite. Die
grünen Tische stehen hufeisenförmig, ein großer Tisch aus vier kleinen in der
Mitte grenzt ans Lehrerpult, das vor der Tafel steht. Klaus setzt sich auf
einen Platz, die Fensterfront im Rücken. Ich setze mich neben ihn, weil ich
nicht weiß, wohin. Klaus guckt mich an, lacht, und wühlt in seiner Tasche. Er
packt ein Matheheft aus, und ich tue es ihm gleich. Heiner taucht hinter mir
auf, und droht mir Prügel an, wenn ich nicht sofort von seinem Platz verschwinde.
Ich lache, damit er denkt, ich wolle einen Scherz machen, raffe mein Zeugs
zusammen und räume das Feld. Aber wohin? Zwei Tische weiter sitzt der Dicke.
Zwischen ihm und Thomas ein freier Stuhl. Ich setze mich, und niemand nimmt
besondere Notiz davon. Wird wohl stimmen. Bettina und die Mädels sitzen uns
schräg gegenüber, ganz nah bei der Tür. Thomas erzählt noch, dass sein großer
Bruder am Wochenende sturzbetrunken nach Hause kam, als eine erwachsene Person
den Raum betritt. Es ist eine hagere Frau Mitte vierzig. Brille, strenger
Blick, kurze Lockenfrisur. Sie platziert sich hinter dem Pult. Ich bemerke den
zynischen Zug um ihren Mund und erinnere mich. Das ist Frau Schmidts.
Mathelehrerin, Cholerikerin, Albtraum.
    „Guten Morgen“, sagt sie, und ihr
Ton lässt keinen Zweifel aufkommen; dies wird kein guter Morgen.
    „Guten Morgen Frau Schmidts“,
erwidert die Klasse.
    Wie ferngesteuert senken alle den
Blick und blättern in ihren Heften. Ich auch, weiß aber nicht genau warum. Unruhig
beobachte ich, was Thomas aufschlägt. Gleichungen mit einer Unbekannten.
Hoffentlich hat Nori seine Hausaufgaben gemacht. Er hat. Ich entspanne mich
etwas. Frau Schmidts lässt ihren Blick schweifen. Ich bin der Einzige, der ihn
erwidert.
    „Nori, an die Tafel!“, kommandiert
sie.
    Ich höre einige Seufzer der
Erleichterung, dass es mich getroffen hat. Vielen Dank auch.
    Ich gehe den schmalen Gang zwischen
Fensterbank und Tischen entlang, steige über Taschen. Frau Schmidts mahnt mich
zur Eile. Erschlag mich doch mit deinem Schweif, alter Drache! Mit
verschränkten Armen steht sie neben der Tafel, blickt streng über den Rand
ihrer Brille auf mich herab. Sie macht mir Angst! Ich ziehe die Tafel runter,
suche ein Stück Kreide und beginne, die erste Aufgabe anzuschreiben. Während
ich noch darüber nachdenke, was das eigentlich für eine Unterrichtsform sein
soll, bemerke ich einen Fehler in Noris Hausaufgabe. Ich korrigiere ihn in
Gedanken, schreibe alles korrekt an die Tafel, trete beiseite und schaue Frau
Schmidts erwartungsvoll an.
    „Wer hat das auch?“, fragt sie in
die Klasse.
    Viele heben den Arm, viele nicht.
    „Gut.“
    Sie nickt. Es scheint ihr zu
genügen, wenn die Hälfte der Klasse es verstanden hat.
    „Von wem hast du abgeschrieben?“,
fragt sie mich.
    Ich höre wohl nicht richtig?
    „Bitte?“, frage ich.
    „Hörst du schlecht? Von wem du
abgeschrieben hast, möchte ich wissen!“
    Ihr Ton macht mich wütend.
    „Von niemandem“, sage ich mit aller
Beherrschung, die ich aufbringen kann. Welche Art von Pädagogik ist das denn
jetzt? Sie presst den Mund so fest zusammen, dass ihre Lippen blutleer weiß
werden wie der Rest ihres Gesichts. Ich spüre wachsende Abscheu. Mit gespielter
Gelassenheit halte ich ihrem Blick stand.
    „Setz dich!“
    Sie schaut in die Klasse, hält
Ausschau nach dem nächsten Opfer. Sicher ist sie heute von meiner Angst nicht
satt geworden.
     
    Wir ächzen und stöhnen. Wir winden
uns. Gehen in Deckung. Schwitzen vor Anstrengung. Mit

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