Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)
Feuerwehr
ausrückt, sitzen wir in der ersten Reihe. Dann klettern wir auf das Dach des
hölzernen Häuschens, das ein wenig aussieht wie ein Fort aus dem Wilden Westen.
Aber das passiert so gut wie nie. Meistens sitzen wir auf den Schaukeln, den
Rutschen und den Klettergerüsten wie die Vögel. Ich nicht so hoch wie manch
anderer. Einmal habe ich mich getraut. Bin vom Fort in den Sand gesprungen. Es
hat mir nicht gefallen.
Ich sitze auf der Schaukel, lasse
die Beine baumeln, und versuche, an nichts zu denken. Will einfach nur die Atmosphäre
in mich aufsaugen. Noch Jahre später kann ich das Gefühl in mir wachrufen, das
dieser Ort auslöste. Und sogar die konservierte Fassung, die ich tief in meinem
Herzen trage, ist noch schön. Wieder hier sein ist unbeschreiblich.
Ich schaukle ein wenig, schließe
die Augen, lausche. Die Jungs von der freiwilligen Feuerwehr, ausnahmslos Langweiler,
waschen die Löschfahrzeuge. Dezentes Stimmgewirr und Wasserplätschern. Weiter
entfernt Kindergeschrei, vielleicht vom Kindergarten. Autos, die vor der
Verkehrsberuhigung bremsen und dahinter wieder beschleunigen.
Der warme Sommerwind weht mir um
die Nase. Ich beschließe, dass ich nicht mehr hier weggehe. Nie wieder. Aber dafür
muss alles klappen. Lieber Gott – verdammt – es muss! Ich hole Schwung und
kneife die Augen so fest zusammen, wie ich nur kann. Als würde ich so die hässliche
Fratze der Wirklichkeit nicht mehr sehen müssen.
Ich werde auf dieser Schaukel
sitzen bleiben, meine Füße nie wieder auf den Boden stellen, der aus Sand ist.
Bis jenseits der Schulhofgrenze die Atombomben zünden und alles verbrennt wie
in Terminator 2. Dann wird die Hitze den Sand in grünes Glas verwandeln, auf
dem ich gehen kann.
„Hi Nori.“ Bettina holt mich aus
meinen Gedanken. Ich fühle mich ertappt. Werde ich rot? Weiter schaukeln, dann
sieht sie es nicht.
„Hey Tina.“ Nenne ich sie überhaupt
Tina? Weiß nicht mehr. Egal. Gesagt ist gesagt.
„Wo sind die anderen?“, frage ich.
„Die kommen gleich.“ Sie lehnt sich
an das Klettergerüst. „Wo warst du nach der Schule? Wir haben auf dich gewartet.“
„Hatte zu tun.“
„Du warst heute ganz schön auf
Ärger aus. Erst die Schmidts, dann Clint. So kenne ich dich gar nicht.“
„Echt?“ Ich stelle mich blöd.
„Ich wünschte, ich würde mich das
auch trauen“, sagt sie.
„Was trauen?“
„Mich so zu wehren! Mein Vater
behandelt mich wie ein kleines Kind.“
„Er sorgt sich bestimmt um dich“,
gebe ich zu bedenken.
„Das kann sein. Ist ja auch
irgendwie süß. Aber er würde mich am liebsten einsperren, glaube ich.“
„So schlimm?“
„Warst du schon mal bei mir
zuhause?“
„Nein. Du hast mich noch nie
eingeladen.“
Wir lachen. Ich weiß, was sie
meint. Alle wissen es. Bettinas Vater hütet seine Tochter wie seinen Augapfel.
Niemand, nicht mal die verwegensten Draufgänger, kämen auf die irre Idee, bei
ihr zu klingeln.
Ich bremse die Schaukel mit den
Füßen, und der Sand wirbelt auf. Bettina steht ganz schön nah bei mir.
„Vielleicht“, überlege ich laut,
„hat er einfach nur Angst, dich zu verlieren. Ich meine, er sieht ja auch, dass
du kein Kind mehr bist. Und irgendwann kommt der richtige Junge und nimmt dich
ihm weg.“
„Das klingt traurig. Nimmt mich ihm
weg“, haucht sie. „Ich bleibe doch seine Tochter.“
„Ja, aber bleibst du auch sein kleines
Mädchen? Unsere Eltern sehen uns aufwachsen. Das führt ihnen vor Augen,
dass sie alt werden. Ich schätze, es ist hart zuzusehen, wie wir ihnen
entgleiten.“
„Bist du sicher, dass du erst
dreizehn bist?“, scherzt sie.
Bevor ich antworten kann, antworten
muss, werden wir gestört. Martins Krücken scharren über die Straße. Das
Geräusch ist unverkennbar. Er ruft den Feuerwehrmännern etwas zu, kommt zu uns
und steckt seine Krücken in den Sand wie die Amerikaner die Flagge in den Mond.
Es kann Einbildung sein, aber mir kommt es vor, als wäre die Stimmung
schlagartig gedrückt. Martin guckt aus der Wäsche, als hätte er uns bei etwas
Verbotenem erwischt. Das macht mich ein bisschen sauer. Doch jetzt ist nicht
der Moment für noch mehr Ärger. Ich versuche, mit ein wenig Small Talk die
unangenehme Stille zu vertreiben:
„Ich freue mich voll auf Samstag.
Das Konzert wird der Knaller.“
Martin rümpft die Nase.
„Voll mies! Überhaupt keine
Metal-Bands dabei. Kein Manowar , kein Maiden . Mies!“
Maiden, Manowar? Natürlich
nicht. Die sind kacke !
„ Black
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