Makers
Eintritt zum Fab Lab Manchester frei. Ich besuchte die Einrichtung an einem ganz normalen Freitag und erlebte ein geschäftiges Durcheinander von Studenten der örtlichen Universität, die an Architektur- oder Möbelmodellen arbeiteten. Der Lasercutter war konstant in Betrieb und spuckte Kunstwerke und Projektarbeiten von Designstudenten aus. Die Projekte, die an den eintrittsfreien Tagen entstehen, werden in der Regel online dokumentiert, damit andere daran teilhaben können. An anderen Tagen wird die Einrichtung von zahlenden Mitgliedern benutzt, deren Projekte nicht veröffentlicht werden müssen.
Noch fällt es zugegebenermaßen schwer, in diesen Makerspaces den Keim einer neuen britischen Industrie zu erkennen. Vor allem Studenten der lokalen Hochschulen arbeiten dort an Projekten, wie sie für jeden Designkurs oder Werkunterricht typisch sind. Anders als in den TechShops in den Vereinigten Staaten drängen sich hier keine ehrgeizigen Jungunternehmer, und vielversprechende Start-ups sind aus dem Fab Lab heraus auch noch nicht entstanden. Aber Haydn Insley, der Manager des Labs, sieht die Aufgabe seiner Einrichtung auch eher darin, Kreativität freizusetzen. »Es geht darum, dass jeder alles herstellen und vor allem auch verändern kann. Jeder hier hat eine Idee, und wir unterstützen nur bei der Umsetzung dieser Ideen. Die Entwürfe stehen im Mittelpunkt, nicht die Herstellung.«
Ein Blick auf die Erfolgsgeschichten, die es heute noch in der britischen Industrie gibt, genügt, um zu verstehen, woher Insley seinen Optimismus nimmt. Die Zeiten der Textil- und Besteckindustriesind zwar schon lange vorbei, aber in Großbritannien gibt es nach wie vor eine große Luftfahrtindustrie (British Aerospace, inzwischen in BAE Systems umbenannt, ist der zweitgrößte Rüstungskonzern der Welt), und britische Automobildesigns haben in der ganzen Welt immer noch einen guten Ruf. Daneben gibt es noch findige Konsumgüterproduzenten wie Dyson, die durch markante Designs und technische Neuerungen die Verbraucher dazu bringen, in vormalig stagnierenden Marktsegmenten, wie Staubsauger und Ventilatoren, Höchstpreise zu zahlen. Die Hochschulen in Manchester bilden immer noch mehr Ingenieure aus als in jeder anderen Stadt in Großbritannien. Die Kenntnisse sind da, aber es fehlt an neuen Anwendungsmöglichkeiten.
Vielleicht ist einer der Designstudenten mit Dreadlocks, die im Fab Lab in Manchester am Lasercutter stehen, der nächste Dyson. Vielleicht ist es aber auch jemand, der allein arbeitet, mit den gleichen Werkzeugen, die inzwischen so billig sind, dass ein Einzelner sie sich leisten kann. Im Fab Lab sind bereits Hunderte Projekte entstanden, und es hat gerade erst eröffnet. Fest steht jedenfalls: Produkte aus Manchester haben schon einmal die Welt verändert. Dieser Teil ihrer Geschichte hat die Stadt geprägt wie kein anderer, und der Traum davon, dass es noch einmal geschehen könnte, scheint wieder zum Greifen nah. Die Anfänge dazu werden vielleicht im Fab Lab gelegt. Die Maschinen in Manchester laufen wieder.
Doch es gibt entscheidende Unterschiede zwischen damals und heute: Die erste industrielle Revolution konnte nur von einem Ort wie Manchester ausgehen, wegen der Umweltbedingungen und der Transportinfrastruktur, während die Maker-Bewegung überall auftreten kann. Zum Teil wegen der historischen Bedeutung ist das Fab Lab in Manchester inmitten der Ruinen alter Textilfabriken angesiedelt, aber die Werkzeuge und die technische Ausstattung des Fab Lab sind genauso gut im Büro eines Wolkenkratzers in London vorstellbar oder in einem umgebauten Schuppen auf dem Land. Die Makers, die sie benutzen, könnten noch weiter davon entfernt leben und ihre Designdaten von zu Hause aus hochladen. Der »Ort«, an dem sich eine Produktionsstätte befindet, wird heute immer unwichtiger – Ideen triumphieren über Geografie.
Vor allem aber sind die riesigen Fabriken überflüssig – die Tagerauchender Schlote und Stahlkolben so groß wie Eisenbahnwägen sind vorbei. Kleine Firmen haben in der neuen Welt der verteilten Fertigung gute Chancen. Damit kehrt die Industrie auf gewisse Weise zu ihren Anfängen während der ersten industriellen Revolution zurück. Die Spinning Jenny veränderte die Welt nicht, weil durch sie große Fabriken entstanden, sondern durch die Entstehung der Heimindustrie. Und wie sich erwies, kann die Heimindustrie zu einem äußerst gewichtigen Wirtschaftsfaktor werden.
Was heute als Heimindustrie
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