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Makroleben

Makroleben

Titel: Makroleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Zebrowski
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er versuchte, sich an Teile der Geschichte von Asterom zu erinnern. Er gestand sich ein, daß er über die Siedlung relativ wenig gewußt hatte, bis Richard zum Studieren auf den Mond gegangen war und darüber Briefe nach Hause geschrieben hatte. Selbst jetzt war es schwierig, sich Asterom vorzustellen. Die Erfahrung, so hatte Richard geschrieben, kann durch nichts ersetzt werden. Ich bin eher an Ideen als an Erfahrungen gewöhnt, dachte Sam. Selbst Erfahrung ist für mich ein Konzept. Gefühlsmäßig war er nicht davon überzeugt, daß sie sich draußen im Weltraum befanden. Der Sichtschirm erschien unwirklich; Sterne und der Mond und der Weltraum waren schließlich nicht wie Bäche oder Bäume oder Steine, die man berühren konnte. Er dachte an die Ansichten seines Großvaters über Raumflug und die Vorstellung einer Siedlung im Weltraum: Wände … Glas und Metall, enge Kabinen, draußen eine sternenübersäte, gottverlassene Dunkelheit … kein Leben für ein menschliches Wesen …
    Asterom war eine Arkologie, ganz ähnlich wie die Stufenstädte auf dem Erdenmond, ein Behälter für eine Gesellschaft, der einen neuen Zweig der Menschheit beherbergte. Früher einmal war es ein kleiner Planet gewesen, ein Brocken Nickeleisen und Fels von zehn Meilen Länge und fünf Meilen Dicke. Er hatte ungefähr die Gestalt eines Eis und hatte sich auf einer Bahn befunden, die ihn fünf Jahre nach seiner Entdeckung in Kollision mit der Erde gebracht hätte. In den späten 1980er Jahren hatten die Japaner unter Verwendung einer modifizierten atomgetriebenen amerikanischen Version der Raumfähre vom Typ III ein Team von Technikern zur Landung darauf hochgeschickt. Die Gruppe hatte Material mitgebracht, um sich dort häuslich niederzulassen, und daneben einen nuklearen Raketenmotor, industrielle Atomsprengkörper und Sonnensegel. Nachdem sie einen solarbetriebenen Massenantriebsgürtel über die Länge des Asteroiden angebracht und den Atommotor für Lagekorrekturen befestigt hatten, lenkten sie ihn in die relativ stabile L-5-Position um.
    Sam stellte sich den Augenblick vor, als der Masseantrieb den Asteroiden dadurch in Bewegung gesetzt hatte, daß er Felsbrocken von der der Flugrichtung entgegengesetzten Fläche wegschleuderte. Dazu wurde Material von dem Asteroiden selbst und elektrischer Strom von der Sonne verwendet und die Flugbahn langsam geändert. Das mußte in dem Leben der Techniker, die Jahre im Raum verbracht hatten, um die Erde vor einer großen Katastrophe zu schützen, ein unvergleichlicher Augenblick gewesen sein.
    Die Kollisionsgefahr hatte der internationalen Lobby für Asteroiden-Minen in die Hände gespielt, die auch die beiden äquatorialen Raumhäfen auf kommerzieller Basis betrieb. Die Lobby hatte das Argument vorgebracht, daß die für die Vermeidung einer weltweiten Katastrophe verwendete Energie sich gut amortisieren würde, wenn Asterom unabhängig würde; es wäre töricht, den riesigen Felsbrocken in die L-5-Positon zu manövrieren und dann nichts damit anzufangen. Niemand hatte es bezweifelt, daß ein Absturz des Asteroiden ins Meer das Klima der Erde permanent verändert und die Menschheit in eine neue Eiszeit gestürzt hätte. Nachdem sich der Schneeball der Investitionen einmal in Bewegung gesetzt hatte, war er von nichts mehr aufzuhalten. Es war aber eine knapp vermiedene Katastrophe notwendig gewesen, um die Entwicklung der Besiedlung des Sonnensystems in Gang zu setzen. Wir brauchen immer eine Krise, um aufzuwachen, dachte Sam.
    Der Abbau des Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter begann zur gleichen Zeit wie die Aushöhlung von Asterom. Beide Enden wurden mit Atomsprengkörpern geöffnet, was den Abbau des reichen Eisen- und Nickel-Erzes gestattete. Nachdem das Innere ausgeräumt worden war, wurden die Enden wieder mit Wiederaufbereitungsanlagen und Docks verschlossen, die es mehreren Schiffen gestatteten, zur gleichen Zeit anzulegen. Als unter Druck eine Atmosphäre hineingepumpt worden war und die ersten Kolonialarbeiter eintrafen, war dies das Signal für die Geburt der ersten echten Makroleben-Siedlung gewesen, die zur Fortpflanzung fähig und mobil war. Um die Jahrhundertwende war die Bevölkerung auf hunderttausend angewachsen, aber die dreihundert Quadratmeilen von inneren Grundstücken könnten auch leicht eine Million verkraften.
    Asterom war der geschützte Wohnbereich eines ständig wachsenden industriellen und wissenschaftlichen Komplexes in L-5. Sechs große Fabrikanlagen

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