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Mala Vita

Mala Vita

Titel: Mala Vita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio M. Mancini
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erwiderte Carlo erschrocken. »Das fehlte noch! Dazu habe ich keine Lust. Du musst dich ohne mich amüsieren.«
    Cardone verzog sein Gesicht, als habe er in eine Zitrone gebissen. »Du bist ein Verräter!«
    Die beiden schlenderten die Via Rizzolo hinauf bis zur Piazza und suchten sich unweit des Doms eine kleine Cafébar. Die Stühle unter den Arkaden waren noch fast alle unbesetzt, und allmählich füllten sich Straßen und Plätze. Erste Touristengruppen reihten sich vor dem Eingang des Domes auf. Die Stadt war im Begriff, lebendig zu werden. Während die beiden Freunde ihren Cappuccino genossen, beobachteten sie das Treiben auf der Via dell’Indipedenza und hätten auf die Art bequem den ganzen Vormittag verbummeln können.
    »Was macht Rosanna beruflich?«, erkundigte sich Carlo. »Du redest zwar ununterbrochen von ihr, aber über das, was von Bedeutung ist, hast du noch kein Wort verloren.«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe sie nicht danach gefragt«, antwortete Cardone. »Auf der Visitenkarte stehen nur ihr Name und die Telefonnummer. Ich tippe auf die Modebranche. Sie war wahnsinnig elegant gekleidet, und ich denke, sie legt sehr viel Wert auf ihr Äußeres. Ich meine nicht diesen modischen Schnickschnack. Was sie trug, sah ausgesprochen teuer aus. Trotzdem halte ich sie nicht für oberflächlich. Im Gegenteil. Nach spätestens drei Sätzen weißt du, wes Geistes Kind sie ist. Wenn du sie sehen würdest …« Cardone schwebte unvermittelt in euphorischen Sphären. »Rosanna ist etwas ganz Besonderes«, fügte er hinzu. »Einer solchen Frau begegnet man im Leben nur ein Mal.«
    »Hmm …«, brummte Carlo. »Hat sie auch Fehler? Du weißt: Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist teuer.«
    »Scheinbar bist du nur glücklich, wenn du deine Aphorismen anbringen kannst«, schimpfte Cardone, ohne es wirklich ernst zu meinen, und leerte seine Tasse.
    Carlos Miene wurde nachdenklich. Roberto war seit dem Tod seines Bruders nicht mehr der Gleiche, was den Freund mehr und mehr beunruhigte. Was Cardone bislang als erstrebenswerte Lebensinhalte empfunden hatte, spielte plötzlich eine nebensächliche Rolle. Von heute auf morgen hatte sich sein Dasein zu einer winzigen Insel reduziert, auf der es scheinbar nur noch Rosanna gab. Auch zum Schreiben war er nicht mehr gekommen, obwohl er doch sonst jede freie Minute, gleichgültig, wie er sich fühlte, zum Arbeiten nutzte.
    »Allmählich wirst du mir unheimlich, Roberto.«
    »Weshalb?« Cardone sah seinen Freund überrascht an.
    »Ich habe das Gefühl, dass du dich ohne nachzudenken in etwas hineinstürzt. Du weißt bemerkenswert wenig über deine Rosanna. Ist dir einmal in den Sinn gekommen, dass sie liiert sein könnte? Vielleicht ist sie verlobt oder verheiratet. Möglicherweise hat sie einen Haufen Kinder …«
    Cardone verzog unwillig das Gesicht. »Sie ist nicht ›meine‹ Rosanna. Außerdem machte sie einen sehr ungebundenen Eindruck.« Dann schwieg er und sagte eine ganze Weile gar nichts.
    »Seit du in Premeno und Pallanza warst«, begann Carlo erneut mit unterschwelligem Vorwurf, »hast du keine Zeile mehr geschrieben. Aber selbst diese Lethargie bemerkst du nicht mehr!«
    Cardones Miene verriet Betroffenheit. »Vielleicht hast du recht«, kam es gepresst über seine Lippen.
    »Natürlich habe ich recht«, entgegnete Carlo. »Sieh mal!« Er legte eine Hand freundschaftlich auf Cardones Arm. »Einerseits kann ich dich gut verstehen. Ein Schicksalsschlag, wie du ihn erleben musstest, kann jeden aus dem Gleichgewicht bringen. Plötzlich ist alles anders, und man braucht eine ganze Zeit, bis man sich wieder fängt. Andererseits heißt das nicht, dass mit Gewalt alles anders werden muss.«
    »Seit Enricos Tod haben die Tage kein Datum mehr für mich. In der Tat, alles ist anders als vorher. Ich könnte dir nicht einmal sagen, was mich immer noch vom Arbeiten abhält. Zuerst lähmten mich der Schock und die miese Zeitungskampagne, und ich war mit meiner Trauer beschäftigt. Aber selbst dafür hatte ich kaum Zeit. Letzte Woche habe ich zudem Rosanna kennengelernt, und sie spukt seither in meinem Kopf herum. Manchmal denke ich, es hängt mit dem Geld zusammen, das Enrico mir vererbt hat. Mein Kopf produziert andauernd Gitterstäbe oder Karibikinseln. Mir fehlt der innere Antrieb, das Vergnügen und auch diese Ungeduld, endlich wieder an der Tastatur zu sitzen. Es ist mir etwas abhandengekommen, und ich weiß nicht was.« Dann fügte er nach einer kleinen nachdenklichen

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