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Mala Vita

Mala Vita

Titel: Mala Vita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio M. Mancini
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zu finden.« Er blickte freundlich in das mürrische Gesicht seiner Reiseberaterin, einer fülligen Blondine, nicht unsympathisch, mit geröteten Pausbäckchen, einem lustigen Pferdeschwanz und einem niedlichen Schmollmund. »Ich wollte mich lediglich erkundigen, was ein Flug kostet und wie die Verbindungen aussehen.«
    »Vom Flughafen Bologna gibt es mehrere Verbindungen. Ich suche sie Ihnen gerne heraus.«
    »Dachte ich mir«, murmelte Cardone. Nachdem, was er inzwischen über Steueroasen und Kapitalflucht gelesen hatte, wäre es verwunderlich gewesen, wenn er dreimal hätte umsteigen müssen. Geschäftemacher liebten Effizienz und kurze Wege.
    »Hier habe ich es …«, sagte die Blondine. »Tägliche Verbindungen. Was die Preise angeht, so hängen sie davon ab, zu welcher Zeit Sie fliegen wollen. Im Augenblick haben wir Hochsaison, und da müssen Sie mit eintausendfünfhundert bis zweitausendfünfhundert Euro rechnen. Es geht natürlich auch teurer.« Sie lächelte das unergründliche Lächeln der Sphinx.
    Cardone Gesicht hellte sich auf. »Ich habe Schlimmeres erwartet«, erwiderte er erleichtert. Anscheinend war der Bedarf an Flügen zu den steuerbegünstigten Banksafes in der Karibik so stark, dass man einen Pendelverkehr eingerichtet hatte.
    »Fliegen Sie alleine?«
    Cardone stutzte. So konkret hatte er sich die Frage noch gar nicht gestellt, obwohl er insgeheim längst mit der Vorstellung gespielt hatte, wie es wohl wäre, wenn Rosanna mitkäme. »Wahrscheinlich«, erwiderte er nachdenklich. »Ich würde doch gerne ein paar Prospekte mitnehmen.«
    Wieder kramte die Blondine in ihren Stapeln und suchte die passenden Unterlagen heraus. Cardone warf einen kurzen Blick auf die Broschüren voller Palmen, einsamer Sandstrände und bronzefarbener Badenixen und steckte sie in die Tragetasche zu seinen Neuerwerbungen.
    »Gibt es in dieser Woche noch günstige Plätze?«
    »Momento«,
entgegnete die junge Frau und suchte in ihrem Computer nach Reiseverbindungen. »Am kommenden Samstag, also in fünf Tagen, da hätte ich noch drei freie Plätze. Allerdings nur Economy Class! Eintausendneunhundertvierzig Euro hin und zurück.«
    »Molte grazie, signorina«,
sagte Cardone mit einem verbindlichen Lächeln. »Möglicherweise sehen wir uns bald wieder.« Er wandte sich um und verließ das Reisebüro.
    Während er unter den endlosen Arkaden zu seinem Friseur spazierte, schlich sich die Idee in seinen Kopf, Rosanna beim Abendessen zu fragen, ob sie ihn in die Karibik begleiten würde. Sofort verwarf er den verwegenen Gedanken. Entweder würde sie ihn auslachen oder den Vorschlag als einen seichten Annäherungsversuch werten. Schließlich kannten sie sich noch kaum. Weshalb also sollte sie ausgerechnet mit ihm nach Antigua fliegen. Das war ein Ziel für frisch Vermählte und Liebespaare. Er bog in die Seitengasse ein, in der sein
barbiere
, mit dem er sich gewöhnlich über Gott und die Welt unterhielt, ein kleines, altertümliches Geschäft betrieb. Er beschloss, die ganze Sache noch einmal eingehend zu überdenken, solange er unter der Schere saß. Auf Friseurstühlen hatte er meist hervorragende Einfälle, besonders während der Kopfmassage.

    Der Abend war hereingebrochen, und Cardone saß mehr als zwanzig Minuten vor der Zeit im Café »Canton de’ Fiori«. Er hatte sich eine kleine Eckbank ausgesucht, von der er den Eingang und einen Teil der Straße überblicken konnte. Um die Wartezeit zu überbrücken, hatte er sich den »Corriere della Sera« mitgenommen. Immer wieder schaute er auf, ob er Rosanna entdeckte. Je näher es gegen neun Uhr ging, umso nervöser schweifte sein Blick umher.
    Den kleinen Artikel über einen Kulturabend hatte er schon zum vierten Mal angefangen und immer noch nicht zu Ende gelesen. Stattdessen versuchte er sich eine Strategie zurechtzulegen, wie er Rosanna beeindrucken könne. Einer Frage ging er allerdings aus dem Weg: Was wäre, wenn man sich näherkommen und den Abend oder gar die Nacht miteinander verbringen würde? Seine Wohnung könnte er ihr niemals zumuten, das war gewiss. Schon die Vorstellung jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Dann wäre alles vorbei, bevor es überhaupt begonnen hatte. Ob sie ihn zu sich nach Hause mitnehmen würde? Wie sie wohl wohnte? Er riss sich von diesen Überlegungen los und versuchte sich wieder auf die Zeitung zu konzentrieren. Er blätterte weiter und überflog gerade eine Kolumne über politische Skandale in Milano, als er hinter sich eine

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