Mala Vita
Pause hinzu: »Keine Schreiblust! Jedenfalls vorübergehend. Meine Gedanken sind mit tausend Dingen gleichzeitig beschäftigt. Ich fühle mich innerlich komplett zerrissen und brauche Abstand für eine gewisse Zeit. Die Ideen werden irgendwann und von ganz alleine wiederkommen.«
»Hoffentlich«, erwiderte Carlo streng und lachte wieder. »So schwer wie du möchte ich es auch einmal haben! Vor noch gar nicht langer Zeit war dein Motto: Man müsste reich sein, um sich an Büchern arm zu kaufen. Stattdessen willst du dich nun einkleiden. Sehr bedenklich, wenn du mich fragst.«
Cardone blickte auf seine Armbanduhr. »Ich muss los. Je schneller ich das Unvermeidliche hinter mich bringe, desto besser.« Die beiden erhoben sich, Cardone bezahlte und brach auf.
»Ciao
, Carlo!
Ci vediamo dopo!«
Zielstrebig wandte er sich zur Via dell’Indipedenza, die direkt auf die Piazza Maggiore mündet und zu den beliebtesten Einkaufsstraßen Bolognas zählt. Gemächlich schlenderte er unter den Arkaden an Modegeschäften vorbei, musterte die Schaufenster, konnte sich aber nicht entschließen, einen Laden zu betreten. Wenn er etwas hasste, dann Einkaufen. Es rangierte auf der negativen Skala noch vor Hausputz. Kleidung zu kaufen empfand er als eine Qual, aber es war immer noch erträglicher, als der Kauf von Rasierschaum, bei dem man zwischen einer Unzahl bunter Dosen wählen musste. Er blieb vor einem edlen Herrenausstattungsgeschäft stehen: Brunellis Men Fashion. Interieur und Ambiente waren erlesen, das Verkaufspersonal vornehmer als die präsentierte Herrenmode. Der Laden war noch menschenleer, eine günstige Voraussetzung, zügig bedient zu werden.
Cardone zögerte, als er die Preisschilder an den Anzügen von Prada und Versace las, obwohl ihm die Sachen ganz gut gefielen. Auch die Budapester Schuhe machten etwas her. Dennoch hielt er den Einkauf von Kleidung nach wie vor für Zeitverschwendung. Er war zutiefst davon überzeugt, wer in mehr als zwei Geschäfte gehen musste, um ein passendes Hemd zu finden, hatte entweder Figurprobleme, keinen Geschmack oder war kein Mann. Der Gedanke an Rosanna schoss ihm durch den Kopf. Sie würde ganz sicher die Qualität eines teuren Anzuges von weitem erkennen. Er betrat das Geschäft.
Knapp zwanzig Minuten später hatte er alles zusammen, was er seiner Meinung nach für den Abend mit Rosanna brauchte. Einen sündhaft teuren anthrazitfarbenen Anzug von Zegna, eine rote, fein gemusterte Seidenkrawatte, ein blaues Hemd, die passenden Schuhe aus dem Schaufenster und einen edlen Ledergürtel. Zufrieden und mit einer riesig wie teuer aussehenden Tragetasche verließ er das Modegeschäft.
Niemals zuvor hatte Cardone mit einer solchen Geschwindigkeit so viel Geld für so wenig Kleidung ausgegeben. Er hatte sich einen Espresso in der Cafébar nebenan verdient, den er inmitten einer Traube geschäftiger Menschen an der Theke einnahm. Genüsslich kaute er an einem Tramezzino mit Ei und Kapern und beobachtete das betriebsame Kommen und Gehen. Ohne Eile machte er sich auf den Weg. Eigentlich wollte er weiter zur Via Manzoni, da fiel sein Blick auf das Schaufenster eines Reisebüros. Fasziniert starrte er auf ein Plakat. Menschenleere, feinsandige Lagune, Palmen und smaragdgrünes Meer. So stellte er sich Antigua vor. Spontan betrat er den kleinen Laden.
»Buongiorno«,
grüßte er die Dame hinterm Tresen. »Haben Sie Flüge nach Antigua im Angebot?«
»Naturalmente«,
antwortete die junge Frau mit herablassendem Unterton und kramte einige Prospekte aus einem Stapel von Heften hervor. »Wir haben einen speziellen Katalog für Reisen auf die Antillen. Guadeloupe, Antigua, Jamaika … Ausschließlich Viersternehotels. Sie können dort einen paradiesischen Urlaub verbringen. Haben Sie einen besonderen Wunsch?«
Cardone zögerte. »Wie viel kostet ein Flug nach Antigua und zurück?«
»Ohne Hotel?«, fragte die Angestellte, ohne sich Mühe zu geben, den kritischen Unterton zu unterdrücken. »Oder haben Sie schon eine Unterkunft?« Ihr Blick taxierte ihn skeptisch, wanderte an ihm hinunter und blieben an seiner prallen Einkaufstasche von Brunellis Men Fashion hängen. Scheinbar ließ diese Rückschlüsse auf eine gewisse monetäre Leistungsfähigkeit zu, denn sie fügte sogleich hinzu: »Ich könnte Ihnen einige hervorragende Häuser empfehlen. Nicht ganz billig, liegen aber noch im Rahmen.«
Cardone schüttelte den Kopf. »So schwer kann es nicht sein, an Ort und Stelle ein anständiges Quartier
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