Mala Vita
Unterlagen aus der Bank holt, solange können wir ruhig zuschauen. Cardone ist ziemlich gut berechenbar. Wir gehen davon aus, dass er sich mit frischem Besitzerstolz auf Enrico Cardones Anwesen niederlässt. Das wäre die gesündeste Entscheidung für den Dichter. Meine Prognose: Er hofft, mit Rosanna heiße karibische Nächte zu verbringen und sie zu überreden, mit ihm auf der Insel der Glückseligkeit zu bleiben. Es dürfte kein Problem sein, an die Unterlagen heranzukommen.«
»Dann sorgen Sie dafür, Tenente Posanto, dass Roberto Cardone auf Antigua nichts zustößt. Aber ohne Aufsehen, wenn ich bitten darf.«
»Ich denke, da können wir uns völlig auf Rosanna verlassen.«
Pallardo ging hinüber zu einer Anrichte, auf der Getränke, frisches Obst und
tramezzini
bereitstanden. Er schenkte sich ein Glas Wasser ein und wandte sich wieder der Runde zu.
»Kommen wir zum unangenehmen Teil unserer Sitzung! Wie weit ist unsere Konkurrenz? Weiß sie, wo sich unser Dichter derzeit aufhält?«
Randolo meldete sich zu Wort: »Davon ist auszugehen. Cardone ist hochgradig gefährdet, sobald er nach Italien zurückkehrt. Der militärische Abschirmdienst wird alles unternehmen, um die Unterlagen an sich zu bringen. Man wird nicht das Risiko eingehen, einen lebenden Zeugen zu dulden, der möglicherweise die Presse aufmischt. Immerhin wäre das naheliegend. Roberto Cardone ist imstande und schreibt mit seinem Wissen einen Bestseller.«
Pallardo legte seine Stirn in Falten. »Was sagt unser Dottore Bandini dazu?«, erwiderte er und warf einen fragenden Blick auf den Kommandeur der Staatspolizei.
Bandini wiegte seinen Kopf. »Wir haben da eine ziemlich verzwickte Situation vor uns: Rosanna Lorano ist von Grasso auf Roberto Cardone angesetzt. Er erwartet, dass Cardone sie zum Geld und zu den Aufzeichnungen seines Bruders führt. Wenn sie am Ziel ist, soll sie ihn liquidieren. Tut sie es nicht, wird für Lorano die Lage kritisch. Wenn nämlich Cardone nach Italien zurückwill, wird Grasso dies erfahren, sobald der SISMI Cardone ins Land lässt. Er wird sich also fragen, weshalb die Lorano ihn nicht liquidiert hat. Seine Bluthunde würden in jedem Falle die Hinrichtung nachholen, und Loranos Tarnung würde auffliegen. Entkommt Cardone mit der Dokumentation seines Bruders, wird er von Agenten des SISMI geschnappt, was er ebenso wenig überlebt. In jedem Fall wäre unsere jahrelange Arbeit dann keinen Pfifferling wert.«
»Wie weit sind wir mit Santorini und Massimo? Gibt es von dieser Seite weitere Erkenntnisse?«, erkundigte sich Oberst Pallardo.
»Sie sind wie vom Erdboden verschluckt«, antwortete Brenda, der Chefkoordinator der Guardia di Finanza. »Kein Mensch weiß, wo sie geblieben sind. Sie wurden zum letzten Mal auf dem Weg von Prizzi nach Palermo gesehen. Seitdem fehlt von ihnen jede Spur.«
»Irgendetwas ist an der Sache faul«, fauchte Pallardo. »Massimo hat seine Bluthunde nach Vanuatu geschickt. Ruffo und Gallerte. Es muss einen Grund dafür geben.«
»Grassos Jet, mit dem sie unterwegs sind, ist erst in Brisbane und kurze Zeit später bei der Landung auf Vanuatu registriert worden. Das bedeutet im Klartext, Romano Grasso und seine Leute gehen davon aus, dass Avvocato Cardone die Konten auf Vanuatu geplündert hat. Wir wissen zudem, dass eine Transaktion nach Antigua stattgefunden haben muss. Das zumindest geht aus unseren Abhörprotokollen der Wohnung in der Vicolo Santa Lucia hervor. Roberto Cardone hat seinem Freund aus einem Brief vorgelesen, der ihm eigentümlicherweise nicht mit der Post zugestellt wurde, denn die wurde regelmäßig von uns gefilzt. Wir vermuten, dass es sich um Unterlagen aus der Kanzlei in Premeno handelt. Er wurde dort beobachtet, wie er eine Kiste eingeladen hat. Soweit wir wissen, hat er geerbt. Sehr viel Geld. Er hatte ein Testament, das er beim Nachlassgericht in Pallanza vorgelegt hat. Die abgehörten Gespräche zwischen Cardone und seinem Freund Carlo Alberti belegen eindeutig unsere Annahme: Avvocato Enrico Cardone hat die Mafia beschissen.«
»Heißt das, die zwei Bluthunde von Massimo und Santorini sind Roberto Cardone bereits auf den Fersen?«, fragte Pallardo ungehalten.
»Nein, das glauben wir nicht. Grasso wird auf Rosannas Zuverlässigkeit und Härte zählen. Für ihr martialisches Image haben wir gesorgt. Ehrlich gesagt, das Image entspricht ziemlich genau der Realität. Wir können von Glück sagen, dass die Frau für uns arbeitet.«
Pallardo nickte. »Trotzdem,
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