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Mala Vita

Mala Vita

Titel: Mala Vita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio M. Mancini
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Befestigungsanlage Fort James. Da noch etwas Zeit bis zu seinem Treffen blieb, schlug er den Weg zur Hauptstraße ein. Unvermittelt umgab ihn ein Leben voller Musik und rhythmischer Bewegungen. Die unbeschwerte Lebensfreude der Menschen übertrug sich auf ihn. Kindergeschrei, Musik und Farben vermengten sich symbiotisch in der heiteren Atmosphäre. Knatternde Motorräder, ächzende Autos und überladene Lastwagen, dazwischen streunende Hunde, Frauen mit schweren Wäschebündeln auf dem Kopf und altersschwache Karren vor sich her schiebend – alles drängte und zwängte, schnaubte und schob sich in heillosem Chaos durch die schmale Hauptstraße.
    Saint John’s Straßen präsentierten sich ihm als einzige Farborgie. Links und rechts, dicht an dicht kunterbunte, windschiefe Holzhäuser, die sich gegenseitig die Farben des Regenbogens streitig machten. Manche von ihnen waren an den Ecken auf abenteuerliche Weise mit Steinbrocken abgestützt, andere wieder wurden von stabilen Holzpfosten in der Senkrechten gehalten.
    Aus der weit geöffneten Tür eines Restaurants drangen die Klänge einer Steelband. Intuitiv passte Cardone seine Schritte dem Rhythmus an. Ein mintgrünes Gebäude im Kolonialstil stach ihm ins Auge. Das Haus Hemingways. Er beschloss, dort einen Fruchtdrink einzunehmen, auch wenn das Lokal eher für seine hochprozentigen Cocktails berühmt war. Entspannt machte er es sich auf der hölzernen Veranda bequem und beobachtete von dort aus das Treiben.
    Langsam wurde es Zeit aufzubrechen. Er trank den Maracujasaft aus und winkte ein Taxi herbei. Nach längerer Fahrt über die Old Road, die sich an der Küste entlangschlängelte, erreichte er Shirley Heights mit der berühmten Ansicht des English Harbour. Der atemberaubende Blick auf den dichten Regenwald im Hintergrund und hinunter zu der azurblauen Bucht übertraf jedes Postkartenfoto. Die Fahrt ging weiter zur alten Mole, der ehemaligen Flottenbasis von Admiral Nelson. Im achtzehnten Jahrhundert war sie der größte karibische Naturhafen und wichtiger Marinestützpunkt Großbritanniens. Heute dient das Hafengebiet mit seinen einstigen Docks, Wohn- und Lagerhäusern den Touristen als einzigartiges Freilichtmuseum. Vor Cardone erhob sich ein dreihundert Jahre altes Backsteingebäude, das ehemalige Domizil des Admirals des englischen Throns, das heute Restaurants und ein Hotel beherbergte.
    Cardone fühlte, wie seine Nervosität angesichts des Treffens mit Sir Ghallager stieg. Neugierig schaute er sich um. Einige Gäste saßen im Garten, einem idealen Platz, um das Kommen und Gehen an den Schiffsanlagen und die Aussicht auf die vor Anker liegenden Luxusjachten zu genießen.
    Gerade wollte er sich an einen der vorbeieilenden Kellner wenden und nach Sir Ghallager fragen, als er von hinten angesprochen wurde.
    »Sie müssen Roberto sein.« Die sonore Stimme mit typisch englischem Akzent klang warm und einladend. Cardone drehte sich um. Vor ihm stand ein kräftiger Mann mit sonnengebräuntem, sympathischem Gesicht. Auffälligstes Merkmal war der dichte schneeweiße Backenbart, der sich bis zu seinem Kinn hinunterzog. Klare grünblaue Augen schauten ihn prüfend an und konnten eine gewisse Schalkhaftigkeit nicht verheimlichen.
    »Ghallager«, stellte der Mann sich vor, deutete eine Verbeugung an und lächelte. »Ich habe Sie sofort erkannt, als Sie den Garten betraten. Ich muss sagen, Sie sind Ihrem Bruder wie aus dem Gesicht geschnitten.« Er reichte Cardone die Hand und drückte sie fest. »Willkommen in Antigua, der schönsten Insel der Karibik!«
    Cardone musste ein Lachen unterdrücken. Sir Edwin schien direkt einem englischen Roman des neunzehnten Jahrhunderts entsprungen zu sein. Trotz des freundlichen Empfangs fühlte sich Cardone ein wenig befangen, denn die charismatische Ausstrahlung seines Gegenübers schüchterte ihn ein.
    Sir Ghallager schien eine feine Intuition zu haben. Elegant überspielte er die Befangenheit Cardones und fuhr fort: »Kommen Sie! Ich habe im Garten einen Tisch für uns reserviert, dort können wir uns ungestört unterhalten.« Er wies zu einem Tisch unter einem Baum mit Blick auf den Anleger. »Ich habe dieses Restaurant gewählt, weil ich in English Harbour zu tun hatte und es hier tagsüber sehr geruhsam zugeht.«
    Cardones Aufregung legte sich ein wenig, zumal in Ghallagers Freundlichkeit nicht die Spur übertriebener Höflichkeit oder gar Affektiertheit zu finden war. »Enrico hat in seinem Brief geschrieben«, begann er, »dass

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