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Mala Vita

Mala Vita

Titel: Mala Vita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio M. Mancini
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in die Hosentaschen vergraben, am Straßenrand auf dem Randstein entlang. »Wenn ich Don Massimo gleich anrufe, wissen wir wenigstens, was Sache ist«, meinte er plötzlich.
    »Jetzt gleich?«, fragte Gallerte skeptisch. »Du weißt, je größer die Insel des Wissens, desto größer der Strand der Verzweiflung. Und wenn Don Grasso erst einmal erfahren hat, dass seine Dollars verschwunden sind, weiß ich nicht, an welchem Strand wir noch landen werden.«
    Ruffo gab sich einen Ruck, zog sein Handy aus der Tasche und wählte. »
Salve
, Don Massimo«, meldete er sich. »Schlechte Nachrichten«, begann er ohne Vorwarnung. »Cardone hat sich die Kohle unter den Nagel gerissen. Das Geld ist auf seinem Konto in Antigua. Rizzolo gibt es nicht mehr.« Wie es schien, hatte es seinem Gesprächspartner die Sprache verschlagen. Aber als er Don Massimo den Stand der Dinge erläutert hatte, konnte sogar Gallerte, der einige Meter entfernt stand, das Gebrüll aus dem Handy hören.
    Mit einem missmutigen
»d’accordo!«
beendete Ruffo das Telefonat. Er wandte sich an Gallerte. »Don Massimo will uns zurückrufen.«
    »Wann?«
    »In den nächsten Stunden, denke ich. Don Massimo weiß noch nicht, wie es weitergeht.«
    »Auch nicht schlecht«, erwiderte Gallerte. »Dann können wir wenigstens etwas ausspannen, bevor es richtig anstrengend wird.« Er steckte seine Hände in die Hosentaschen und kickte eine leere Coladose vor sich her.
    »Okay, dann lass uns ins Hotel zurückfahren!«, meinte Ruffo. »Mir wird schlecht, wenn ich an das Gesicht von Don Grasso denke.«
    Gallerte winkte ein Taxi herbei. Der Straßenkreuzer, der schon bessere Tage erlebt hatte, schaukelte gemächlich heran und stoppte neben den beiden.
    »›Iririki‹-Hotel«, befahl Ruffo und ließ sich ins Polster fallen.

[home]
Verabredung
    C ardone war mit einem Brummschädel aufgestanden. Er rührte nicht nur vom Rotwein des Vorabends her. Die halbe Nacht hatte er sich in Alpträumen gewälzt, war zweimal schweißgebadet aufgewacht. Erst nachdem er um drei Uhr morgens eine heiße Milch mit einem Löffel Honig getrunken hatte, war er fest eingeschlafen. Er blickte benommen auf die Uhr. Es war kurz vor zehn.
    Auf dem Küchentisch fand er eine Nachricht von Carlo, der bereits aus dem Haus gegangen war. Er sah aus dem Fenster. Wolkenloser Himmel. Er beschloss, sich einen Espresso zu machen und auf der winzigen Dachterrasse zu frühstücken. So oft es das Wetter erlaubte, benutzten er und Carlo den luftigen Dachausschnitt, den man von ihrer Wohnung über ein paar steile Stufen erreichte.
    Cardone ordnete Panini, Marmelade, etwas Butter und Geschirr auf ein Tablett und balancierte dieses aufs Dach. Carlo und er hatten zwischen Oleanderbüschen, die in Terrakottatöpfen über die Brüstung hinausragten, eine Sitzecke eingerichtet. Über den Dächern Bolognas empfand Roberto ein Gefühl des Entrücktseins. Er genoss es, hoch über gelebter Geschichte inmitten einer lebendigen Stadt zu sitzen. Er kannte keinen Platz, an dem ihm der Himmel so kräftig blau erschien wie hier, und besonders am Abend gab es kaum einen Ort, den die Sonne mit sanfteren Lichtstrahlen verwöhnte.
    Die Aussicht von der Terrasse in düstere Gassen, auf geheimnisvolle Gestalten, filigrane Spitzbogenfenster und imposantes Mauerwerk mit morbidem Charme, den Blick auf die roten Dächer der Altstadt und die Türme – sie konnten jeden verzücken. Von hier oben konnte man die kunstvollen Fassaden bewundern, von denen allmählich der Putz bröckelte, die liebevoll arrangierten Geranientöpfe in winkligen Nischen, Fenstersimse, auf denen Katzen dösten, efeuberankte Balkone und Dachterrassen, auf denen es üppig blühte.
    Wie oft hatte er hier die besten Einfälle gehabt und wie oft hatten sich Carlo und er im Schatten der Oleander die Köpfe heiß geredet oder sich Geschichten ausgedacht. Aber großer Erfolg war ihnen nie beschieden. Selbst wenn man ein exzellentes Manuskript abgeliefert hatte, fand sich meistens ein Text im Druckwerk, den der Autor nicht so geschrieben hatte, wie er da stand. Aber gute Dichter kannten das Phänomen und lachten darüber. Es funktionierte beim Schreiben wie in der Evolution. Hundertmal wurde etwas verschlechtert, aber dann einmal durch Zufall etwas verbessert. Wie schon Maxim Gorki sagte: Schriftsteller bauen Luftschlösser, Leser wohnen darin, und Verleger ziehen die Miete ein.
    Cardone schlürfte seinen heißen Espresso und dachte über seinen Bruder Enrico nach. Es schien

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