Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
sprach den Satz aus, den er eigentlich hatte vermeiden wollen (»Haben wir die Nummer eines Klempners?«), und verschwand mit einer Schüssel roter Paprikaschoten auf seine Veranda, um sie dort zu verspeisen.
Kaum waren die Kinder aus der Schule zurück, wurden sie von Maggie auch schon für verschiedene Aufgaben eingeteilt; der Kleine musste Gemüse schnippeln, die Große hatte sich um den Garten und die Dekoration zu kümmern. Gut dreißig Gäste wurden erwartet, in Newark waren es gewöhnlich dreimal so viele gewesen. Dort hatten sie von April bis September einmal im Monat ein Barbecue veranstaltet, das niemand verpassen wollte. Immer tauchten neue Gesichter auf, die versuchten, Einlass in ihre Welt zu bekommen.
»Was legen wir für die Normannen auf den Grill?«, fragte Warren.
»Lammkoteletts, würde ich vorschlagen«, antwortete seine Mutter, »und dazu einen Salat mit Radieschen, Äpfeln und fromage blanc .«
»Mein Lieblingssalat!«, rief Belle, als sie in die Küche kam.
»Wenn du den servierst, ist die Katastrophe vorprogrammiert«, sagte Warren. »Man muss ihnen das hinstellen, was sie von uns erwarten.«
»Und das wäre?«
»Ein richtiges amerikanisches Essen. Eine riesige, fetttriefende Yankee-Mahlzeit. Man darf seine Gäste nicht enttäuschen.«
»Sehr appetitanregend, mein Sohn. Da strengt man sich doch gleich viel lieber an.«
»Was die wollen, ist ein richtig geiles Essen.«
Maggie legte die Parmesanreibe beiseite und verbot ihrem Sohn, in Ermangelung einer schlagfertigen Replik, dieses Wort wieder auszusprechen.
»Die Franzosen haben die Nase voll von ihrer raffinierten Küche und dem Biofraß«, fuhr Warren fort. »All das gedünstete und gedämpfte Gemüse, der gegrillte Fisch und das Mineralwasser. Mom, wir werden sie von ihren Schuldgefühlen befreien und sie mit Fett und Zucker vollstopfen. Das erwarten sie von uns. Wenn sie zu uns zum Fressen kommen, dann soll es zugehen wie in einem Puff.«
»Halte deine Zunge im Zaum, junger Mann! Vor deinem Vater würdest du nicht wagen, diese Worte zu benutzen.«
»Papa ist der gleichen Meinung wie ich. In Cagnes habe ich ihn einmal erwischt, wie er den primitiven Amerikaner gegeben hat. Die Leute wollten immer mehr, so überlegen haben sie sich plötzlich in seiner Gegenwart gefühlt.«
Während Maggie den Hirngespinsten ihres Sohnes lauschte, legte sie letzte Hand an ihren Tex-Mex-Kartoffelsalat, wendete den Caesar’s Saladund ließ dieZitiabtropfen, bevor sie siein die Tomatensoße eintauchte. Warren fischte sich eine glühend heiße Nudel aus der riesigen Plastikschüssel und probierte sie.
»Die Pasta ist spitze. Aber sie wird uns verraten.«
»… ?«
»Jeder wird merken, dass wir Spaghettifresser waren, bevor wir Amerikaner geworden sind.«
In Gedanken versunken stolperte Fred in die Küche, Warren und Maggie verstummten. Mit der gleichen Geste wie sein Sohn angelte er sich eine Nudel, zerkaute sie gemächlich, schenkte seiner Frau ein kurzes Kopfnicken und fragte, wo das Fleisch sei, das er später grillen sollte. Da er es nicht ausgesucht hatte, besah er sich die Fleischstücke mit nicht allzu großem Interesse, wog ein paar Steaks mit der Hand ab, nur das Hackfleisch beäugte er recht ausgiebig. Eigentlich hatte er seinen Schreibplatz nur verlassen, um über eine Passage nachzudenken, die ihm Kopfschmerzen bereitete.
Wenn es ein Wort gibt, das ich nicht mag, dann ist es » Reue « . Alle, die behaupten, mich würden Gewissensbisse plagen, schieße ich ohne Vorwarnung nieder. An dem Tag, an dem ich unter Eid gesungen habe, hätte es das ganze Gericht gern gesehen, dass ich den Kopf senke und um Verzeihung bitte. Diese armseligen Richter sind schlimmer als die Pfaffen. Ich soll irgendetwas in meinem Leben bereuen? Ich? Wenn ich mein Leben noch einmal vor mir hätte, würde ich alles, wirklich ALLES, noch einmal so machen – außer vielleicht zwei, drei Dummheiten. Wenn ein Maler sich entschließt, sein Bild zu übermalen, dann hält der Franzose das für Reue. Gut, in diesem Sinne habe ich ein bisschen Reue gezeigt. Ich habe ein Meisterwerk mit einer Kruste überzogen. Der, der voll und ganz bereut, gleicht einem Auswanderer, der sich in seiner neuen Heimat so unwohl fühlt wie in seiner alten. Gibt es etwas Schlimmeres? Bei meinen kriminellen Brüdern werde ich niemals mehr Zuflucht finden, und auch die Ehrlichen und Anständigen werden mich nicht bei sich aufnehmen. Glaubt mir, Reue ist das Schlimmste, was es gibt.
Fred
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