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Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Titel: Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonino Benacquista
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berichten.
    »Ich bin auf dem Flughafen angekommen. Ich war allein und ging in eine Pizzeria. Es gab drei Pizzagrößen: large, medium und small. Ich hatte einen derartigen Hunger, dass ich die große bestellt habe. ›Wie viele Personen sind Sie denn?‹, hat mich der Kellner gefragt. ›Ich bin allein‹, habe ich geantwortet. Der Kellner lachte laut los und hat mir zu der kleinen geraten. Und selbst die sei zu viel für mich. Und er hatte recht: Sie war so groß wie ein Lkw-Reifen!«
    Warren lächelte. Leider durfte er den beiden kein Kontra geben. Der Umfang von Pizzen und die Dicke von Steaks waren das Einzige, was diese Menschen von seiner Heimat in Erinnerung behalten hatten. Ein Dritter lieferte mit seinem Bericht vom Besuch eines Lokals in der New Yorker Grand Central Station den endgültigen Beweis.
    »Man hatte mir gesagt, dass die Meeresfrüchte im John Fancy’s einzigartig sind. Also bin ich dorthin gegangen, es ist angeblich das beste Fischrestaurant der Stadt. Ich war total enttäuscht. Nur Banalitäten. Da bekommt man in der Taverne von Evreux Besseres serviert. Dann ging ich zum Bahnhof, ich musste nach Boston, meinen Verkaufschef treffen. Es war ein Uhr, mein Express ging erst in einer Stunde. Also spazierte ich durch das Untergeschoss des riesigen Bahnhofs und stand plötzlich vor der Oyster Bar. Dort gab es Austern, so groß wie Steaks! Muscheln wie Aschenbecher! So etwas hatte ich noch nie gesehen. Und das in einem Bahnhof! Warren, kennst du die Oyster Bar?«
    Warren hätte ihm um ein Haar das, was ihm auf der Seele brannte, entgegengeschleudert: Ich war acht Jahre alt, als man meine Familie aus den Vereinigten Staaten von Amerika verjagt hat. Er ertrug es immer weniger, dass man in ihm einen zukünftigen Fettsack sah, mit einem IQ , der kleiner als der einer Auster aus der Oyster Bar war, und der für seinen Gott, den Dollarschein, bereit war, alles zu opfern, um dann als unkultiviertes Wesen die Welt zu regieren. Wie gerne hätte er den Gästen erzählt, dass er sein Elternhaus und seine Freunde von damals schrecklich vermisste. Und ebenso die amerikanische Flagge mit ihren Sternen und Streifen, auf der sein Vater nun schon so viele Jahre herumtrampelte. Undurchschaubar und paradox war das alles: Bei der amerikanischen Nationalhymne konnte Warren die Tränen kaum zurückhalten, aber gleichzeitig träumte er davon, einen Mafia-Staat im Staat zu errichten und gewisse Probleme, die die Politiker nicht in den Griff bekamen, auf seine Weise zu lösen und eines Tages – warum auch nicht? – ein gern gesehener Gast im Weißen Haus zu werden.
    Wie konnte er diesem Gespräch nur entkommen? Es blieb ihm nichts übrig, als wie alle anderen auch auf die Ankunft seines Vaters zu warten. Aber der große Mann ließ sich bitten, er hatte sich auf seine Veranda zurückgezogen und die Rollos heruntergelassen. Maggie spürte Zorn in sich hochsteigen. Fred hatte sie die ganze Arbeit allein machen lassen – nicht einmal das Feuer hatte er angezündet. Für die Gäste aber war das Ausbleiben ihres Gastgebers nichts Überraschendes. Passte doch jeder Schriftsteller, ob Amerikaner oder nicht, den günstigsten Zeitpunkt für seinen Auftritt haargenau ab.
    Sie hatten unrecht.
    Fred Blake las ergriffen und in Denkerpose versunken wieder und wieder den einen Absatz, um den er nun schon mehrere Stunden gerungen hatte. Er war so tief in die Vergangenheit eingetaucht, dass sie ihn nicht mehr losließ. Und so vergaß er schlicht die fünfundvierzig Personen, die ungeduldig darauf warteten, ihn endlich kennenzulernen.
    1931 fuhr mein Großvater einen der zweihundert Cadillacs, die der legendäre Vito Genovese gechartert hatte, um dem Sarg seiner Frau zu folgen. 1957 gehörte mein Vater, Cesare Manzoni, zu den hundertsieben capi, die zu dem Treffen in den Appalachen vorgeladen worden waren. Die Tagung endete in einem Blutbad. Mal ehrlich, und aus mir sollte dann ein Hippie werden, der auf der Gitarre herumklimpert? Oder ein Arbeiter in einer Kartonfabrik, der jeden Tag die Stechuhr drückt? Sollte ich meine Rente in einer Schuhfabrik verdienen? Mich gegen meine Tradition auflehnen und ein braver Bürger werden, nur um meinen Vater zur Weißglut zu treiben? Nein, ich habe unseren Familienbetrieb übernommen, und zwar aus freien Stücken, was noch wichtiger ist. Niemand hat mich dazu gezwungen. Ich war stolz darauf. » Man hat nur ein Leben « , hat mir mein Onkel Paulie gesagt, als er mir mein erstes Gewehr gab. Heute weiß

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