Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
bei der Polenta austoben, mit derart wilder Energie im Topf rühren, dass sie an die Wände spritzte, so lange und heftig, bis er seine Arme nicht mehr spürte.
Im Nordteil der Fabrik kletterte Ben nun auf ein riesiges Abflussrohr, das direkt in die Avre führte; er hüpfte ein-, zweimal hoch, um zu sehen, ob es stabil genug war. Dann ging er zu seinem Onkel zurück; der hatte gerade die Verbindungstür zwischen der Warenannahme und dem Hauptgebäude aufgebrochen. Um sicherzugehen, dass sich niemand mehr im Gebäude aufhielt, durchleuchteten sie es mit der Taschenlampe. Danach verlangte eine alte Gewohnheit ihr Recht und die beiden inspizierten sämtliche Gerätschaften und Bottiche in allen Größen und Formen, Container, in denen Gott weiß was aufbewahrt wurde, und jede Menge Eisenrohre, um zu prüfen, ob sich etwas davon abtransportieren und verkaufen ließ. Doch nichts. Es war deprimierend. Also gingen sie wieder ins Freie, wo der eigentliche Teil der Arbeit auf sie wartete. Wo sollten sie den Sprengstoff platzieren? Nun war Bens sechster Sinn gefragt. Der garantierte immer eine schnelle und wirksame Durchführung, egal, ob man nur einen kleinen Einsturz oder eine richtige Explosion erzeugen wollte.
»Also, Onkel, wie hättest du’s gerne? Soll das Ganze wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen oder schwebt dir eher ein Big Bang vor?«
Fred überlegte. Es war mitten in der Nacht, und sie waren mitten auf dem Land. Also besser etwas Unauffälliges.
»Mach etwas Schönes. Wie das Finale beim Feuerwerk auf Coney Island.«
Der Neffe musste grinsen, dennoch nahm er den Wunsch seines Onkels sehr ernst. Wenn Ben sich nicht für das Gangsterleben entschieden hätte, wäre er sicherlich einer von den Abbruchkünstlern geworden, die jedes Hochhaus in einer Staubwolke verschwinden lassen konnten. Das letzte Gebäude, das er dem Erdboden gleichgemacht hatte – in Gegenwart und im Auftrag seines Onkels –, war ein beinahe fertiggestelltes dreistöckiges Parkhaus mit achthundert Stellplätzen. Die Nacht war lang und anstrengend gewesen, doch jeder, der dabei war, erinnerte sich gerne daran. Heute stand am Ort der Katastrophe ein kleines Geschäftshaus der Firma Parker, Sampiero & Rosati, Import/Export.
Fred war bereit, sich den Anweisungen seines Neffen unterzuordnen. Er sah seinem Tun mit Bewunderung zu, fachmännisches Können begeisterte ihn immer. Wenn er früher sein Team zusammenstellte, dann sollte es immer schlagkräftiger als das der Konkurrenz sein. Also umgab er sich nur mit absoluten Spezialisten auf dem jeweiligen Gebiet. Ein Typ musste dazu gebracht werden, seine Eltern zu denunzieren? Da kam nur Kowalski infrage. Der konnte mit dem Hammer jeden Zeh einzeln brechen, ohne den danebenliegenden zu berühren. Ein wahrer Künstler eben. Wurde ein guter Schütze, ein Hitman, gebraucht? Da drängte sich Franck Rosello auf. Er war ein berühmter Scharfschütze in einem Krieg gewesen, den er selbst niemals erwähnte. Unvergessen, wie er einem Verräter auf der Fahrt zum Justizpalast im Gerichtswagen mit einem Schuss das Gehirn wegpustete. Und obwohl Rosello niemals den gleichen Schuss ein zweites Mal abfeuerte, hatte sich Fred am Tag seines Prozesses während der Fahrt vor Angst flach auf den Boden des Gerichtswagens gelegt. Um in Manzonis Truppe aufgenommen zu werden, musste man auf einem Gebiet Außergewöhnliches leisten. Sei es, weil man wie kein zweiter Wanzen aufspüren, Fluchtwagen lenken oder ganze Menschenmengen niederballern konnte. Jetzt hatte Fred seinen lieben Neffen zu sich gerufen, der in seinem Team schon damals ein ausgemachter Fachmann für Dynamit war. Seitdem war das D aus seinem Namen nicht mehr wegzudenken.
»Ben, jetzt, wo wir allein sind, sag mal …«
»Was soll ich sagen?«
»Ob die anderen verstehen, warum ich gesungen habe. Auch wenn sie mir nicht verzeihen können.«
Ben hatte sich vor diesem Gespräch gefürchtet. Und vor allem fürchtete er, die grausame Wahrheit sagen zu müssen. Wie konnte sein Onkel so naiv sein und sich falsche Hoffnungen machen? Gianni Manzoni, sein Held, hatte das Wort »verzeihen« benutzt. Verzeihen! Mein Gott, hatte er keinen Funken Realitätssinn mehr? Ben musste ihm ein für alle Mal klarmachen, dass es für die Manzonis – egal, was passierte – keinen Weg zurück gab.
»Ich will dir nicht wehtun, Onkel Giova, aber dir geht’s doch gut hier. Du hast ein schönes Haus, die Kinder werden groß und du wirst sogar Schriftsteller.«
Ben, der selbst
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