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Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Titel: Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonino Benacquista
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in der Fremde wohnen musste, konnte ahnen, wie das Heimweh das Herz seines Onkels bluten ließ.
    »Du wirst nie in die USA zurückkehren. Gewöhn dich an den Gedanken. Vielleicht ist der Name Manzoni drei oder vier Generationen nach Don Miminos Tod vergessen. Bis dahin aber wird jeder Handlanger, dem Don Mimino ein Dach über dem Kopf besorgt, einen Job verschafft, eine kleine Gefälligkeit erweist, vielleicht auch nur nett zu seinen Kindern ist, keinen Augenblick zögern, das volle Magazin auf dich abzufeuern. Onkel, du bist inzwischen zu einem überall gesuchten Phantom geworden. Die Jungs sind scharf darauf, dich abzuknallen. Nicht nur wegen der Belohnung. Vor allem wegen der Ehre. Und dem Ruhm. Stell dir vor, jemand kann über einen sagen: Das ist der Mann, der Giovanni Manzoni, den Staatsfeind Nummer 1 aller Mafiosi von Amerika, getötet hat . Der Kerl wird zu Lebzeiten schon zur Legende. Und die nachfolgende Generation wird ihm die Hand küssen.«
    Während er redete, befestigte er ein Bündel von fünf Dynamitstangen mit Klebeband um einen Leitungsmast. Danach schlich er sich wieder ins Gebäude, um ein paar Aluminiumbalken zu bestücken.
    »Dich kaltmachen, das ist das Gleiche wie das Ungeheuer von Loch Ness einfangen, den Weißen Hai töten oder den großen Drachen niederstrecken. Ein Platz im Olymp ist einem damit sicher. In deinem Blut zu baden ist, wie aus dem Heiligen Gral zu trinken. Es ist die Ehre aller Ehren.«
    Es fiel Ben nicht leicht, das auszusprechen. Aber es musste gesagt werden. Damit der Onkel alle Hoffnung auf eine Rückkehr endlich fahren ließ. Das letzte Bündel Dynamit war platziert, Ben fasste Fred an der Schulter und ging mit ihm nach draußen. Die beiden nahmen sich die Zeit, die noch intakte Fabrik zu betrachten, und auf einmal kam sie Fred fast schön vor. So wie ihm Stiere schön vorkamen, die die Arena betraten, Schiffe, die in Seenot gerieten, oder Soldaten, die in die todbringende Schlacht zogen. Und zum ersten Mal konnte er hinter so viel Hässlichkeit die Hand des Menschen entdecken.
    »Onkel, die Ehre gebührt dir.«
    Ben rollte eine lange Zündschnur ab, zündete sein Zippo-Feuerzeug an und gab es seinem Onkel. Fred zögerte einen Augenblick. Es war die allerletzte Möglichkeit, sich zu fragen, ob das wirklich die einzig mögliche Lösung für sein Wasserproblem war.
    Er hatte guten Willen gezeigt, Bürgersinn bewiesen und die Amtswege eingehalten. Er hatte sich legaler Mittel bedienen und von den Anständigen lernen wollen. Das wilde Tier in ihm wollte sich in einen Bürger ohne Schimpf und Schande verwandeln. Er hatte sich sogar mit anderen Opfern verbündet, obwohl ihm bisher jede Art von Herdentrieb fremd gewesen war. Hatte ihn das Leben als Aussteiger möglicherweise zum Guten verändert? War in ihm vielleicht ein gewisser Gemeinschaftssinn erwacht? Er hätte es gerne geglaubt.
    Und jetzt betrachtete er die Flamme des Feuerzeugs in seiner Hand – mehr geschah zunächst nicht. Es war absurd. Die Gesellschaft hatte ihn enttäuscht. Sie war nicht das, was sie vorgab zu sein. Nicht der Gemeinsinn regierte, sondern einzig das Streben nach Profit und Eigennutz. Wie in jeder anderen Gesellschaft. Wie in der Geheimgesellschaft, der er so lange Jahre angehört hatte. Er hatte der legalen Welt die Chance gegeben, ihn zu überraschen. Aber sie hatte nur das bestätigt, was er schon immer wusste.
    Feuer zu legen war das Eingeständnis seiner Ohnmacht gegenüber einer Macht, die sich nicht fassen ließ. Wie konnte man gegen einen Feind kämpfen, der überall und nirgends war? Wo jedermann gute Gründe hatte, sich nicht die Probleme des anderen anzuhören? Wo die, die gewannen, weder ein Gesicht noch eine Adresse hatten? Wo der Einzelne von den Politikern abhängig war, die wiederum von den Lobbys, deren Treiben der gewöhnliche Sterbliche nicht verstand und deshalb sein Schicksal in die Hände von Behörden legte, die ihm doch niemals helfen konnten. Diesem Unwesen, von dem so viele profitierten, wollte er sein eigenes Unwesen entgegensetzen. Er würde jetzt auftrumpfen mit einem brutalen Akt der Gewalt. Freds Leben wäre bestimmt einfacher, wenn er jemand wäre, der auch mal nachgeben und die Waffen strecken könnte, wenn der Gegner übermächtig wurde. Aber dazu war er nicht geschaffen. Er würde ihnen seine Antwort unter dem unendlichen Himmelszelt in einer schönen Frühlingsnacht präsentieren, in einer Atmosphäre, die in ihrer Friedfertigkeit an den Anfang der Welt

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