Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
konnten, liebten dennoch das Ritual, ohne zu ahnen, welche symbolische Bedeutung es für New Yorker Gangster hatte. Drohte ein Krieg zwischen den Gangs, besprach man, bevor es zu einem Blutvergießen kam, die Probleme bei einer scifa . Jeder achtete darauf, mit seinem Löffel nicht in das »Gebiet« seines Tischnachbarn einzudringen. Eine elegante Art, sein eigenes Territorium abzustecken und gleichzeitig einen Nichteinmischungspakt zu unterzeichnen. Ein jeder versuchte, nicht zu früh und nicht zu spät zum Fleisch zu gelangen. Es sollte gerecht verteilt werden wie eine gemeinsam gemachte Beute. Kein Standpunkt musste dargelegt werden, kein Wort gewechselt. Man hatte das Wesentliche geklärt, wenn man sich an die scifa setzte.
Fred hing in Gedanken der Vergangenheit nach. Er tauchte wie die anderen seinen Löffel in die Polenta, aber er hatte überhaupt keinen Appetit.
*
Belle und Warren waren wegen des Besuchs ihres amerikanischen Cousins wie aufgedreht. Sie wollten nicht schlafen gehen, auch wenn Maggie sie drängte. Schließlich sprach Fred ein Machtwort. Die restlichen drei tranken einen hausgemachten Limoncello, der ihre Konversation bis spät in die Nacht begleitete. Das leidige Thema, den Prozess und seine Auswirkungen, ließen sie außen vor. Stattdessen erzählten sie sich bis zur vorgerückten Stunde Geschichten aus ihrem Alltag in Newark, garniert mit allerlei Anekdoten. Dabei verfielen sie aber nicht in Wehmut – das hätte die Freude des Wiedersehens nur getrübt. Fred sah plötzlich auf die Uhr und schlug seinem Neffen vor, nach draußen zu gehen und den Kröten bei ihrer nächtlichen Orgie zuzuhören.
»Was?«
»Dein Onkel«, sagte Maggie, »hat zehn Kilometer von hier einen großen Schlammweiher entdeckt, wo am späten Abend Kröten und Frösche ein unglaubliches Konzert veranstalten. Das ist vielleicht ein Gejammer und Gejaule, ein Geröchel und Gestöhne.«
»Das ist eine Sexparty. Was soll es zu dieser späten Stunde denn sonst sein?«
»Du kannst dich frei bewegen?«, fragte Ben und zeigte mit der Schulter zum Haus der FBI -Agenten.
»Was für ein Gedanke! Vierundzwanzig Stunden am Tag kontrollieren sie mich. Die ganze Nacht brennt da drüben Licht. Wenn der eine schläft, schaut der andere fern oder ruft seine Frau an und beklagt sich bei ihr über mich. Als ob ich sie gebeten hätte hierherzukommen.«
»Heute Abend lassen sie dich bestimmt nicht gehen. Die sind noch sauer wegen Ben.«
Genau auf diesen Satz hatte Fred gewartet. Er ging hinüber zu Maggie, schlang die Arme um sie, küsste ihren Hals und versicherte ihr, sie sei die Frau seines Lebens.
»Glaub nur ja nicht, dass ich jetzt das mache, was du dir wünschst.«
»Bitte, Maggie.«
»Du kannst mich mal.«
»Ich muss mit meinem Neffen allein reden«, sagte Fred auf Französisch. »Bring ihnen etwas von deinem wunderbaren italienischen Essen mit Olivenöl. Tu mir bitte den Gefallen.«
Ben ging und ließ die beiden allein.
»Seit wir in Frankreich sind, habe ich mit niemandem mehr über meine alten Geschäfte reden können. Ben kann mir erzählen, was seit unserer Flucht passiert ist. Das, was das FBI vor mir geheim hält. Solange du dabei bist, sagt er nichts. Livia, das weißt du.«
»Redet auf der Veranda miteinander. Oder in der Waschküche.«
»Hier spüre ich immer die Gegenwart der beiden Idioten da drüben. Sie beobachten uns andauernd. Manchmal glaube ich sogar, dass hier alles verwanzt ist.«
Fred führte sie zum Kühlschrank und öffnete ihn, ohne seinen Redeschwall zu unterbrechen.
»Du kannst mit ihnen umgehen. Sie fressen dir aus der Hand. Je schrecklicher sie mich finden, desto toller finden sie dich. Du bist die einzige Frau, die sich auf dem ganzen riesigen Kontinent um sie kümmert.«
Maggie wusste, was er im Schilde führte. Trotzdem spürte sie, wie sie schwach wurde. Sie sah die beiden G-Men vor sich, allein und verlassen, und alles nur wegen der Manzonis.
»Zudem könntest du die Reste loswerden. Die Auberginen in Balsamico-Essig, die seit drei Tagen hier herumliegen, der Rest Parmesan, die Sfogliatelle, die schon auseinanderbrechen, und vor allem die Polenta. Wir essen nie zweimal in der Woche das Gleiche. Das ist eine Regel.«
»Als ich zwanzig war und mich in dich verliebt habe, hast du mich mit einem solchen Unsinn nicht rumgekriegt. Warum heute Abend?«
»Wir sind in einer Stunde zurück.«
Wenn man Maggie gefragt hätte, ob sie ihren Mann noch liebte, hätte sie geantwortet: »Schon
Weitere Kostenlose Bücher