Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
nicht miteinander, sie grüßten sich noch nicht einmal mit einem Kopfnicken. Sechs von ihnen waren italienischer Abstammung, zwei irischer, und zwei waren Puerto Ricaner, geboren in Miami. Keiner von ihnen hatte je europäischen Boden betreten. Auf den ersten Blick hätte man sie für eine Gruppe von Anwälten halten können, die in einer internationalen Rechtsangelegenheit die globalen Interessen eines Weltkonzerns vertraten. Tatsächlich aber waren es Legionäre, die den Luxus der Businessclass einem Kampfhubschrauber vorzogen, die lieber Armani-Anzüge als Tarnuniformen trugen. Eine Todesschwadron, bestehend aus zehn Söldnern.
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Die Ausgangssperre war für manchen Blake geradezu ein Segen, für andere war es die härteste aller Strafen. Fred hatte schon länger beschlossen, am Wochenende um den 21. Juni das Haus nicht zu verlassen, er wollte dem Lärm der Festivitäten aus dem Weg gehen und sich voll und ganz seinem großen Werk widmen. Für ihn war es Ehrensache, auf Sanktionen nicht zu reagieren. Strafandrohungen erzielten bei Gangstern sowieso selten den gewünschten Effekt. Sie jagten ihnen keineswegs Angst ein, vielmehr gaben sie ihnen Gelegenheit, die Autoritäten zu verhöhnen und lächerlich zu machen. Ob man einen Richter im Gerichtssaal beleidigte, einem FBI -Agenten bei einem Verhör ins Gesicht spuckte oder einen Gefängniswärter wie den letzten Dreck behandelte, ein Mafioso nutzte jede Gelegenheit zur Provokation, nie lief er mit gesenktem Kopf herum. Quint hatte ihn zu Hausarrest verdonnert? Ein Geschenk des Himmels. Endlich konnte er sich auf sein sechstes Kapitel konzentrieren, das folgendermaßen begann:
Der Zuschauer liebt Filme, in denen mit Gewalt für Gerechtigkeit gekämpft wird. Aber nicht, weil er die Gerechtigkeit liebt. In Wahrheit liebt er die Gewalt. Warum sehen wir lieber Geschichten, in denen Rache geübt wird, als solche, in denen allen vergeben wird? Weil die Menschen Bestrafung lieben. Zuzusehen, wie der Schuldige geschlagen wird, auch gerne mal blutig, ist ein Vergnügen, das weder langweilt noch Bauchschmerzen verursacht. Es ist die einzige Art von Gewalt, die mir jemals Angst gemacht hat.
Eine Etage höher hatte Belle sich eingeschlossen, ihre Familie sollte sie nicht zu Gesicht bekommen. Zuerst hatte man ihr verboten, an der Schulfeier teilzunehmen, und jetzt durfte sie nicht in die Stadt gehen und mit ihren Freunden Spaß haben. In ihrem Zimmer zu schmollen, das war die beste Methode, dieses ihr auferlegte Opfer anzunehmen. Wenn sie sich schon nicht zeigen durfte, dann würde sie eben unsichtbar werden. Und zwar für alle Zeiten. Diese Entscheidung hatte sie gerade getroffen, und sie war unwiderruflich.
Warren seinerseits war stinksauer, dass er schon wieder einmal für die Machenschaften seines Vaters büßen musste. Die Kirmes, die vor der Tür stand, hatte das Kind in ihm geweckt, und der Hausarrest ließ ihn wieder einmal zutiefst bedauern, noch nicht erwachsen zu sein. Wenn er schon wie ein Erwachsener leiden musste, wollte er auch wie ein Erwachsener behandelt werden. Das wäre doch mehr als gerecht. Er schloss sich in sein Zimmer ein und verbrachte Stunden um Stunden vor dem Computer, wo er im Internet zahlreiche Informationen zusammentrug, die er für seine Zukunft, auf die er sich bereits minutiös vorbereitete, brauchte. Was war sein Plan? Er wollte die Zeiger der Uhr zurückdrehen und die Geschichte noch einmal bei null beginnen lassen.
Von den vieren traf der Hausarrest Maggie am schlimmsten. Sie hatte so vielen Menschen versprochen, beim Aufbau der Stände zu helfen und für einen reibungslosen Verlauf der Kirmes zu sorgen. Es hätte sie mehr als glücklich gemacht, ihren Beitrag zu einem so schönen Volksfest zu leisten. Und jetzt saß sie im Wohnzimmer auf dem Sofa vor dem laufenden Fernseher und würdigte ihn keines Blickes. Sie war mutlos und voller Zweifel. Sie konnte sich noch so sehr mit Leib und Seele für die Gemeinschaft engagieren, Fred zog sie immer wieder runter und presste sie in ihre alte Rolle als Mafia-Braut. Eine Mafia-Braut, die auch noch in Verruf geraten war und die niemand mehr achtete. Machte sie einen Schritt nach vorne, zwang Fred sie zehn zurück, und das würde sich erst ändern, wenn sie diesen Teufel, für den sie nach wie vor etwas empfand, verließ. Sie beschloss, auf der Stelle mit dem Menschen zu sprechen, der sich alles in allem weit besser um sie kümmerte als ihr eigener Mann.
Endlich war Johannistag. Cholong-sur-Avre
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