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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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durcheinanderwimmelten. Und doch hatte Malchatun das Bewußtsein, einem Ereignis beizuwohnen, das für viele Jahrhunderte das Schicksal der Menschen bestimmen und mitbestimmen werde.
    Sie warf einen Blick auf Ertoghrul und zog hastig dessen Pferd zum Haus hin in den Schatten. Es war kein Augenblick zu früh. Denn kaum angelangt, fiel der Greis aus dem Sattel und ihr in die Arme.

27
    Zum Weiberland war von heute auf morgen das Gebirge geworden. Nicht nur, daß Frauen die Herden trieben und versorgten - sie versahen auch deren bewaffneten Schutz. Die Männer hatten sich auf die Pferde geworfen, und nun waren sie davon, und wenn die Weiber nicht achtgegeben hätten, wäre manch einer ohne Proviant oder gar Handpferd geritten -so toll waren die Kerle auf einmal gewesen, als sie die Feuer gesehen und die Pfeilboten gehört hatten. Allen war diese Tollheit - und den Tollen selbst zuerst als etwas Unabweisbares wollüstig ins Blut geschossen. Selbstverständlich hatte den Frauen das Herz danach gestanden und stand ihnen noch danach, daß die Männer, die Söhne, die Brüder zurückkehren möchten, jedenfalls die eigenen, und mit heilen Gliedern. Dennoch hatten die stets Redebereiten sich weniger an diese wärmeren Gefühle, sondern, um den männlichen Hochmut doch wenigstens in etwas zu dämpfen, mehr an ihre kleinen Überlegenheiten des Alltags geklammert - gegen die Sache selbst dagegen war ihnen kein Wort über die Lippen gekommen. Als eine höhere Gewalt, als ein Wille, dem sich zu widersetzen Sünde sei - als der Wille des Blauen Himmels etwa oder von den Göttern oder Allah - gepriesen sein Name! war ihnen das Ereignis erschienen.
    Jedenfalls hatte der Tumanidsch all seine Männer ausgespien. In Sturzbächen waren sie zu Tal gejagt, um als Bugwelle eines großen Stromes an Karadschahissar zu branden.
    Ertoghrul selbst war nicht dabeigewesen, und Dündars Abwesenheit hatte man nicht bemerkt, weil man sie nicht hatte bemerken wollen. So waren es allein Osmans Scharen gewesen, die Karadschahissar überrannt und die Burg zur Übergabe gezwungen hatten.
    Weniger Blut, als zu befürchten gewesen, hatte die Eroberung gekostet. Alle seine Rinder und Schafe und viele Pferde hatte Osman den Mitsiegern überlassen, um seine Stadt vor der
    Zerstörung und seine neuen Untertanen vor Plünderung, Mord und Sklaverei zu bewahren.
    Denn, mochte es Sultan Alaeddin gefallen oder nicht, Karadschahissar gehörte jetzt Osman.
    Im Jahre 1288 nach Christi Geburt oder 687 nach der Flucht Mohammeds aus Mekka war das geschehen, fünfzig Jahre nach der ersten Eroberung durch Ertoghrul.
    Und Ertoghrul starb bei der Kunde des Sieges mit einem Lächeln, als sei nun alles so, wie es sein solle, in den Armen seiner Schwiegertochter Malchatun. Alles, was er hatte erleben können, hatte er erlebt. Mehr war ihm von Allah nicht beschieden gewesen.
    Bei der Nachricht vom Tode des Vaters legte Osman Trauergewänder an, und niemand sagte etwas dawider, daß er den fürstlichen Kopfbund in Schwarz hinzutat. Jetzt war Osman der Herr. Das verstand sich für alle von selbst.
    Mit Bewilligung des Sultans verwandelte er die Kirche von Karadschahissar in eine Moschee, deren Kanzelredner, ein Schüler Edebalis, zugleich Richter des Wochenmarktes war, der an jedem Freitag stattfand.
    Nach wenigen Monaten lud Osman dann die Nachbarn und Stämme des Tumanidsch zum Fest. Niemand sagte ab. Sogar von den Asanes kamen Kir David und Apollonia.
    Außerhalb der Stadt, auf der Ebene am Pursuk, fand die Feierlichkeit statt. Die christlichen Herren hatten ihren ganzen Staat, alle aber ihre besten Kleider angelegt. Statt der Trauergewänder trug Osman eine oben abgestumpfte, mit weißem Kopfbund umwundene rote Kegelhaube, dazu über dem iltisbesetzten Ehrenkursk des Sultans einen weiten grünen Kaftan mit einem hochstehenden Kragen in der roten Farbe des Unterfutters. Leer von den Schultern hingen ihm die Ärmel des Kaftans für die herunter, deren Rang es ihnen nicht gestattete, ihm die Hand zu küssen. Auf einem Rappen saß er, und beim Reiten umtanzte ihn die Sulfakar zur Linken.
    Alle bewahrten Schweigen, wie er sich inmitten roter Fahnen durch das Spalier der Gäste und des Volkes bewegte. Seine eigenen Gefährten waren mit der Geistlichkeit vorausgeritten, um den Wesir Schermugan einzuholen und den Neffen Aktimur.
    Nun hörte man das Gedröhn der Pauken und die stählernen Klänge der Hörner, nun erschien Schermugan, von Geistlichen und Weltlichen umringt, nun riß die

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