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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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übergehen, und dabei ereignete es sich, daß ihr plötzlich Apollonia entschwunden war. Und nicht nur Apollonia. Alles Rufen half nichts, niemand antwortete, nicht einmal Bruder Aratos, denn der stand bei ihr, mit dem befand sie sich nun allein. »Wir werden sie wiederfinden«, meinte er.
    Hierauf erwiderte Malchatun nichts. Da es für sie jedoch keinem Zweifel unterlag, daß Aratos nicht von ungefähr ihr einziger Begleiter sei, war sie sogleich auch entschlossen, dem kleinen Manne alle etwaigen Aufträge zu verleiden.
    Viel reputierlicher als sonst sah er heute aus. Fast einem bestallten Pfarrherrn glich der Eremit; aber er verwahrte sich voll Eifer gegen die Annahme, eine solche Würde zu bekleiden. Nichts weiter sei geschehen, als daß er dem neuen Herrn von Eskischehr auf dessen Bitte gefolgt sei und sich des geschenkten Gewandes nicht habe erwehren können.
    »Aber angeboten hat Salmenikos dir eine Pfarre?« fragte Malchatun.
    »Das freilich tat er.«
    »Und du hast sie nicht angenommen? Warum nicht?«
    »Was denkst du dir? Mir ziemt meine Höhle im Ögi und kein Pfarrhaus!«
    »Ich will dir etwas sagen, Aratos«, eröffnete Malchatun ihren Angriff, »nicht allein den andern, auch dir selbst spielst du den Demütigen nur vor. In Wirklichkeit bist du so eingebildet auf dich selbst, daß du deine Mühseligkeiten der gemächlichen Seßhaftigkeit einer Pfarre vorziehst. Dich schrecken die regelmäßigen Pflichten eines Pfarrers, und aus der Pfründe machst du dir nichts. Denn da dir jedermann gern gibt, leidest du auch ohne Pfarre nur selten Not. Ich wünsche, es geschähe häufiger. Dann würdest du dich vielleicht nicht aus Selbstsucht deiner Bestimmung entziehen. - Aber dir scheint wohl, weil ich eine Moslemin sei, gehe mich das nichts an?«
    »Daß du eine Moslemin bist, ist für mich nur ein Glück!« schlug er mit heiterem Spott zurück. »Denke dir, Marula, wenn du meine Beichtmutter wärest!«
    »Dann ginge es dir schlecht«, mußte sie ebenfalls lachen.
    »Ich anerkenne deine Gerechtigkeit«, räumte er ironisch ein, »doch eine so strenge Beichtmutter sollte sich ihrem bußfertigen Sohn an Sünden nicht überlegen zeigen, Marulizza!«
    »Also gut«, ergab sie sich, »sag, was du zu sagen gekommen bist. Beweise mir meine Sünden.«
    Aus ihrem Gesicht war jedes Lachen verschwunden. Eben jetzt kamen sie dem Erlengebüsch näher, in dem sie einen langen Tag des Bangens sich mit Kumral versteckt gehalten hatte. Ganz erfüllt war sie von dem quälenden Bild eines fiebernden Salmenikos gewesen, an dessen Sterbelager sie zu spät zu kommen gefürchtet hatte. Kein anderer Gedanke als dieser eine war in ihr gewesen. Sie schämte sich nicht; aber das Herz zog sich zusammen, denn war wohl wenig Zeit verstrichen, so hatte diese Zeit doch ausgelöscht, was Jahre hindurch der Inhalt ihres Lebens gewesen war.
    Auch Aratos war ernster geworden.
    »Wie hältst du es mit der Liebe, Malchatun?« begann er und ließ mit der Nennung ihres türkischen Namens erkennen, daß er die Tatsache ihres Bekenntnisses zum Islam zu würdigen gesonnen sei.
    »Ein seltsames Thema für einen Mönch«, meinte sie.
    »Das einzige Thema für einen Mönch«, widersprach er. »Zwar bist du eine Moslemin; aber selbst nach deiner Lehre gehören wir nicht zu den Heiden, sondern zu den Kindern des Buches.«
    »Ich zweifle nicht, daß es auch bei euch immer gute und hilfreiche Menschen gegeben hat«, gab sie zu.
    »Und Propheten!« fiel er ein. »Magst du die Göttlichkeit unseres Herrn und Heilands bestreiten, so erkannte Mohammed den Sohn der Maria doch als Propheten.«
    »Aber nicht als Vollender. Unreuige Missetäter zu lieben, wie er es befahl, vermag ich nicht.«
    »Du verwechselst die Sünde, die du nicht lieben sollst, mit dem Sünder«, sagte Aratos. »Wir sind allzumal Sünder, aber die Liebe höret nimmer auf.«
    »Wohl hört sie auf!« wehrte sich Malchatun. »Dann hört sie auf, wenn das, was man liebte, sich als unwürdig erwies. Nur Gott ist ohne Anfang und Ende.«
    »Gott ist die Liebe, und so ist auch die Liebe ohne Anfang und Ende.«
    »Nach dem Koran ist Allah der Allerbarmer, der Barmherzige.«
    »So erbarme dich deiner selbst und bekenne dich zu dem, den du liebst.«
    Malchatuns Brauen zogen sich zusammen. Nun das Wort, das erwartete, gefallen war, hatte es sie doch tiefer getroffen, als sie sich zugeben mochte. »Worüber reden wir, Aratos?« fragte sie.
    »Über Salmenikos«, war die Antwort.
    »Es gilt nicht als gute Sitte bei

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