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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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zu schämen, weil sie beide im gleichen Fall seien - oder es doch waren . . . Denn sie, sie selbst, sei sie es eigentlich noch . . .?
    »Osman jedoch . . .«, warf er hin.
    »Was ist mit ihm?« drängte sie; denn um ihrer Unruhe willen war sie zum Vater gekommen, und die hatte etwas mit Osman zu tun gehabt. Als befrage sie ein Orakel, wiederholte sie: »Was ist mit Osman?«
    »Er wird getragen . . .«
    »Von den Unterirdischen?« erschauerte Malchatun.
    »Von dem, was da kommt«, sagte Edebali. »Das Christentum ist in seinen Formen erstickt . . .«
    »Und der Islam? Es gibt Leute, die sagen, er habe seine Grenzen erreicht. . .?«
    »Wir Araber sind es, die sie erreicht haben, das welterobernde Arabien ist ermüdet und hat seine Grenzen erreicht. Der Islam aber blieb jung. Neue Völker haben ihn ergriffen und halten die Fahne des Propheten. Wenn ihn, Osman, die Woge nicht verschlingt - und ich glaube, sie wird es nicht wird sie ihn an Land werfen, wo er stehen und bleiben kann. Jetzt trägt ihn die Woge.«
    Da war sie wieder, die quälende Unruhe! Malchatun mochte nicht mehr hören. Sie war entschlossen und flüchtete in die Gewalt.
    »Du sprichst von Osman und Salmenikos. Was sind mir diese Männer gegen dich? Von dir und mir sollst du mit mir reden. Es ist die Stunde, Vater.«
    Der Mond hatte seine Höhe erklommen. In seinem Schein schwamm Edebalis Gesicht. Blaß und schmal war das Gesicht, aber in diesem Augenblick hätte Malchatun es sich älter gewünscht . . . Immer noch währte das Schweigen - sie hörte das Hämmern ihres Herzens.
    Schließlich bewegten sich Edebalis Lippen.
    »Sprich du«, sagte er.
    Ihren ganzen Mut nahm Malchatun zusammen.
    »Heirate Perid«, stieß sie vor und bebte vor den Folgen dieser Kühnheit. »Ich werde ihr eine Schwester sein«, sprach sie deswegen auch schnell weiter. »Perid ist mir wert.«
    Statt »Schwester« hätte sie »Mutter« sagen können - so weit freilich wagte sie sich denn doch nicht.
    Aber vielleicht hätte Edebali auch darüber nur gelächelt. Jedenfalls tat er es, und mit diesem Lächeln bezwang er die Tochter.
    »Die Blüte fragt nicht nach dem Alter des Stammes, dem sie entsprießt«, formte er seine Gedanken, »die Blume blüht. So kam auch aus mir und über mich ein Blühen, und du hast es bemerkt, wie ich vernehme.«
    Malchatun hatte die Beschämung ihres Vaters, ihn vor seiner Tochter klein und erniedrigt zu sehen, gefürchtet. Und nun sah sie ihn frei und ohne die Kette, die sie selbst so sehr bedrückt hatte, sah sie ihn ohne jede lähmende Scham und empfand eine große Bewunderung für Scheich Edebali.
    »Und wir werden uns nicht trennen müssen?« fragte er jetzt.
    »Perids wegen nie!«
    »Dann gewinne ich ein Weib und erhalte mir meine Tochter. Dank dir, Kamerije. Du hast dich Osman entzogen - ist es nicht so? - und dem Salmenikos nicht zugesagt. Bleibe also in deinem jungfräulichen Stand, solange es dir gefällt. Von nun an werde ich schweigen. - Denn das willst du doch . . .?« fügte er noch mit der Verhaltenheit eines Menschen hinzu, der nicht alles sagt, was er sieht.
    Das gleiche Mondlicht, das Edebali und Malchatun während ihres Gespräches geleuchtet hatte, beschien auch den Reiterzug, der von Norden her in den Paß Ermenibeli einbog, dem westlichsten der vier Pässe über den Tumanidsch.
    Wenig willkommen war den Reitern das helle Licht. Einer hinter dem andern drückten sie sich in den Schatten der Felsen.
    Die Kapuzen hatten sie über die weißen Biledschiker Kappen gezogen. Nichts funkelte an ihnen, und nichts klirrte. Nicht einmal der helle Klang der Hufeisen auf Kiesel und Steinen war zu hören. Sie ritten mit umwickelten Hufen.
    An siebzig Mann zogen Osman und seine Gefährten so dahin. Neffe Baichodscha hatte es durchgesetzt, sich der kleinen Vorhut anschließen zu dürfen, und dem jungen Tschendereli war nicht zu verweigern gewesen, was dem Neffen erlaubt worden war.
    Schon hatte die kleine Truppe die Paßhöhe überschritten, und nun kam alles darauf an, daß sie Koladscha am Südhang unbemerkt erreichten. Dort harrten die Einwohner des Fleckens schon mit bepackten Saumtieren und Karren. Einmal auf dem Wege nach Seraidschik, würde die Gefahr für die Auszügler nicht mehr allzu groß sein. - Nachsetzende Verfolger aufzuhalten, waren Osmans Reiter stark genug.
    Wer hatte diese Reiter gesehen? Offenbar niemand. Keine Warnung kam von der Vorhut.
    Die Entführung der Koladschaner war erst Osmans zweites größeres Unternehmen, und so

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