Malchatun
überlegte er, ob er auch nichts versäumt habe. Er stand am Beginn einer Laufbahn. Ein Fehlschlag konnte ihm verhängnisvoll werden. Das Vertrauen seiner Stammesgenossen stand auf dem Spiel.
An den Ruinen einer verwüsteten Karawanserei war der Haupttrupp vorüber, schon glaubte Osman gewonnen zu haben. Da rollte ein Stein vom abschüssigen Hang der Schlucht - eine Kugel hinterdrein. Unruhe kam unter die Reiter. Osmans Pferd bäumte sich, als die Kugel sich erhob. Sie war ein Mensch, der sich merklich beim Wiederaufsetzen der zerschundenen schwarzen Kappe erhöhte.
»Halt«, sagte er dabei. »Nicht weiter!« rief er.
»Wer bist du?« herrschte Osman ihn an und sprang vom Pferd, um den Kleinen zu packen. »Laß dich anschauen.«
»Verlieren Sie keine Zeit, Herr«, meinte das Kerlchen in Osmans Fäusten, »und lassen Sie mich lieber los. Sie sind in einiger Gefahr, mein Werter. Bei Hamsabeg, dem Dorf, lauert der Botoniates am Ausgang der Schlucht auf Sie.«
»Der Mönch!« erstaunte Osman, als er Aratos erkannte.
»Allerdings, der Mönch. Und meine schöne Kappe hab’ ich mir Ihretwegen verdorben.«
Obwohl an der hohen Filzkappe des griechischen Geistlichen nicht viel zu verderben gewesen war, ging Osman darauf ein.
»Sie, ein Christ, warnen mich vor einem Christen? Warum?« fragte er.
»Vielleicht, weil die Koladschaner ebenfalls Christen sind«, meinte Aratos, »können Sie das begreifen?«
Osman mußte sich entscheiden. Wenn Aratos lüge, sei die Strecke frei, überlegte er schnell, wenn der Mönch aber die Wahrheit spreche - welche Gefahr für die Vorhut!
»Wie viele lauem bei Hamsabeg?« fragte er kurz.
»Mehrere hundert, darunter Turkopolen«, kam es ebensokurz zurück.
»Und hinter uns?«
»Weniger.«
»Alles aufrücken und zurück!« befahl Osman. »Ich selbst gehe . . . nein, nicht so viele - acht Mann genügen.« — Osman bezeichnete die acht. - »Ich hole die Vorhut. Auf der alten Karawanserei Treffpunkt. Und laßt mir den Mönch nicht aus! Schlagt euch durch!«
Damit sprengte er mit den acht davon und mit so viel Krach, wie da kommen wollte. Lag der Botoniates im Hinterhalt, so wußte das Einbein ohnehin, wo die Gegner hielten. Osman dachte nur an die Vorhut. An die Knaben besonders.
Bei der alten Karawanserei Treffpunkt ... für die, die sich noch ihres Lebens erfreuten. Nach dem blutigen Gefecht waren es mehr, als man hätte denken sollen. Einer von den Toten aber lag quer vor Osman über dem Sattel und wurde bei den Ruinen begraben. Es war Baichodscha, der Neffe.
18
Das Geheimnis der Uneinnehmbarkeit von Biledschik beruhte nicht zum geringsten darauf, daß dessen Herren es stets vermieden hatten, Fremde in die Burg, ja in größerer Anzahl auch nur in die Stadt zu lassen. Seit ihnen Seraidschik nicht mehr gehörte, hielten sie Markt bei ihren drei Brunnenorten.
Tschakirbinari, Schmerlenbrunn, lag dem Westen zu auf halbem Wege nach Jenischehr, der Neustadt am See - auf gleichem Wege, nur gut die Hälfte näher zu Biledschik, erhob sich am Indschirbinari, am Feigenbrunnen, der gleichnamige Ort. Kaldiralikbinari aber lag etwa in der Wegmitte von Biledschik nach Seraidschik in einem Sattel von Ermeni Derbend, dem Paß.
Auch die Feste fanden in den Brunnenorten statt, und zu Mariä Himmelfahrt zog Malchatun den kurzen Weg von Seraidschik nach Kaldiralikbinari hinauf, um Apollonia einen längst schuldigen Gegenbesuch zu machen.
Jedem Alleinsein mit Salmenikos, der sich ebenfalls dort aufhielt, wich sie jedoch mit solcher Beharrlichkeit aus, daß er sich völlig zurückzog. Dagegen war sie bereit, der Freundin und deren Mann, Kir David, zu einem neu aufgekommenen Wundertäter zu folgen, dessen Segen nach Apollonias Versicherung durchaus nicht zu entbehren sei. Und da der hoch-gelobte Mann nicht allzu weit seine Eremitage hatte, handelte es sich auch um nicht viel mehr als um einen gefahrlosen Spaziergang.
Der Zufall oder was sonst immer fügte es jedoch, daß der eigentliche Zweck dieses geselligen Lustwandeins, das Beisammensein der beiden schwesterlichen Freundinnen um ein kleines zu verlängern, nur unvollkommen erreicht wurde.
Acht heitere Menschen verließen mit ihrem Gefolge Kaldiralikbinari, jedermann wechselte nach Belieben den Partner seines Gesprächs und damit den jeweiligen Begleiter oder die Begleiterin. Zumal Malchatun, wenn sie sich vor allem auch Apollonia
zu widmen gedachte, hätte es als eine Unterlassung empfunden, auch nur einen einzigen oder eine einzige zu
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