Malchatun
uns«, wich sie aus, »über ein Mädchen in Zusammenhang mit einem Manne zu reden.«
»Du bist nicht irgendein Mädchen, du bist Malchatun, der Segenswünsche folgen, wenn du vorübergehst. Um dieser Liebe willen, mit der dir deine Liebe gelohnt wird, rede ich. Weil es um das Leben und das Glück dieser Menschen geht, denen du ebenso, nur weit vollkommener, dienst als ich, spreche ich so. Du verstehst mich sehr wohl, Malchatun. Darum frage ich dich: Was tat dir Salmenikos, daß du ihn verwirfst?«
»Er verwarf mich! Mehr als einmal tat er es. Siehe, Aratos: Als wir uns das letztemal trafen - du erinnerst dich -, nachher sprach er mit mir. Aber das Wort, das er hätte sagen müssen, sagte er nicht. Doch deswegen verwarf ich ihn nicht. Später dann, auf der Dschirga der Stämme, blickte ich um mich, aber er war nicht da, und ich hätte alle, die mir dort beistanden, missen wollen, wenn er nur bei mir gewesen wäre! Und zum andern Male verwarf ich ihn nicht. Doch dann . . . Weißt du, Aratos«, unterbrach sie sich, »warum ich dir antworte? Weil ich dich länger und besser kenne als einen andern geistlichen Mann meines eigenen Glaubens, der mich über diese Dinge zu reden zwang. Mehr jedoch, als dieses zu sagen, vermag ein Mädchen nicht über sich. Auch ich weiß, was Scham ist.« Das Schwere für Aratos lag darin, daß seine ganze Seele mit Malchatun empfand. Aber noch wußte er nicht, ob nur ein Stolz zu bezwingen oder ein Totes zu erwecken sei. Und er war überzeugt, daß auch Malchatun selbst es nicht wisse.
»Kennst du die Geschichte des Petrus?« fragte er. »Dreimal verriet er Jesus in dessen höchster Not. Aber der Heiland vergab ihm und machte ihn zu seinem Apostel. Und Petrus lehrte und starb als Martyr für seinen Herrn.«
»Sehr erbaulich«, spottete sie; »aber ich glaube nicht, daß Salmenikos große Anlagen zum Martyr hat.«
Zunächst erwiderte Aratos nichts. So wenig gefeit war er selbst gegen irdische Liebe gewesen, daß sie ihn in seine Höhle hatte treiben können, und nun fragte er sich, ob er sich gegen eine wenn auch späte Erfüllung so unnahbar gezeigt hätte wie Malchatun. Lange gingen sie schweigend nebeneinander her.
»Du bist unerbittlich«, sagte er schließlich und gab sich damit selbst eine Antwort. »Man sollte sich seiner Liebe nicht schämen und nicht seines Leides - beides gibt Gott«, fuhr er dann fort. »Die Stämme hängen an dir, vor allen die Ertoghruler. Auf Salmenikos aber blicken die christlichen Herren. Er allein vermag deren Feindseligkeit, die ausbrechen möchte, zu zügeln. Wenn ihr euch beide verbindet, wird Friede sein im Lande. Um der Liebe willen zu deinen Nächsten«, beschwor er sie, »verzeihe Salmenikos!«
»Und Osman?« fragte sie. »Du weißt, daß er um mich warb.«
Kaum fünf Tage waren vergangen, daß Aratos vor Ertoghruls Sohn gestanden und ihm einen großen Dienst erwiesen hatte. Um den Glaubensgenossen in Koladscha zu helfen, hatte er das getan - darin hatte er nicht gelogen -, ein wenig aber war es auch Osman selbst zuliebe geschehen. Dennoch kannte er Frauen zu gut, um nun etwa in Malchatun durch die Erwähnung des Gefechts eine unzeitige Angst um Osmans Leben zu entfachen. Auch wußte er nichts über den Ausgang des Scharmützels.
»Die Stämme hängen an dir«, wiederholte er nur. »Osman kann nicht hindern, daß sie es tun. Heute nicht mehr. Auch ist er nicht der Mann, der es dich entgelten ließe, wenn du dich ihm versagtest.«
»Weißt du auch, was das bedeutet, Aratos?« fragte sie. »Den besseren Mann heißest du mich, weil er weniger gefährlich sei, geringer zu achten als den schlechten.«
»Du warst bei Inöni, Malchatun«, überging Aratos den Einwand, »du hast Tote gesehen - Verstümmelte - Blut und Gedärme. Kette den Krieg mit jeder Kette, die dir zu Gebote steht. Was verschlägt es, ob du Salmenikos liebst oder Osman! Deine Nächsten sollst du lieben wie dich selbst, den vielen, die dich segnen, sollst du den Frieden bewahren, das Leben, Hakim Malchatun, das Leben!«
Malchatun hatte die Erschlagenen und Zertretenen in Wahrheit gesehen, und bei des Aratos Beschwörungen sah sie die Bilder wieder, die sie nächtens und auch am Tag überfielen. Und mit dem andern habe ihr Bedränger ebenso recht. Sie dachte an Ghundus - ja, selbst alle Alpe Osmans, die sie kenne, würden auf sie hören, sogar zu Kumrals Verstand und Herzen getraue sie sich Zugang zu gewinnen . . . Friede! Eine tiefe Sehnsucht ergriff Malchatun. Sie erinnerte
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