Malchatun
tatsächlichen Macht und dem Ansehen des Herrn von Biledschik durch Verleihung eines Ehrenpelzes von nicht minderer Güte als der dem Osman verliehene Rechnung zu tragen. Aber von der »befleckenden Gegenwart« des Ungläubigen war das erhabene Antlitz keineswegs befreit worden; denn jetzt saß Salmenikos in einer weniger feierlichen,
dafür jedoch geheimen Audienz auf einem Polster vor Alaeddin.
»Demnach scheinen Sie mit meinem Grenzhauptmann Osman nicht in allen Stücken einverstanden zu sein?« neigte der Sultan sich höflich dem Salmenikos zu.
»Kaiserliche Hoheit werden begreifen, daß es mir nicht gleichgültig sein kann, wenn Osman die christliche Bevölkerung einer ganzen Stadt verschleppt.«
»Sie meinen Koladscha?«
»Ich sehe Eure Kaiserliche Hoheit unterrichtet.«
»Wie war das mit Koladscha, Schermugan?« wandte sich Alaeddin an den eintretenden Wesir.
Schermugan verschanzte sich hinter seine Akten und hinter ein Lächeln.
»Koladscha kam durch Grenzziehung zum Reich«, führte er aus, »durch Erbgang aber an den Herrn von Chirmendschik. Der von Ainegöl jedoch besetzte es und gab es nicht mehr heraus.«
»Der Botoniates?«
»So heißt er. Beide, der Botoniates und Michael Tagares, sind Untertanen von Byzanz. Die Einwohner von Koladscha sind dagegen unsere Untertanen und fühlten sich bedrückt. Das wird durch eine Erklärung der Ältesten von Koladscha beglaubigt.«
»Mir scheint, Kir Salmenikos, Osman sei eher zu loben als zu tadeln«, meinte Alaeddin. »Da er, allein auf sich angewiesen, Koladscha nicht hätte halten können, führte er die Einwohner auf deren eigenen Wunsch nach Seraidschik und Sögüd. Oder war es anders?«
Salmenikos spürte eine unangenehme Überraschung. Er hatte die Pfortengeschäfte, wie er es von früher gewohnt war, nur lau geführt, vermutet und geglaubt, daß er mit Behauptungen durchdringen könne, deren einziger Beweis das Ansehen sei, das zu haben er sich schmeichelte. Und nun wurde ihm nicht nur vom Wesir, sondern auch vom Sultan mit einer Genauigkeit geantwortet, die ihn zur Vorsicht zwang.
»Osman ist ein vortrefflicher Pfortendiener«, stimmte er darum dem Sultan zu, »und den Mangel an Erfahrung muß man seiner Jugend nachsehen. - Daß er sich im Paß Ermenibeli von Botoniates schlagen ließ, ist allerdings sehr bedauerlich.«
»Immerhin führte er die Versetzung Ihrer Glaubensgenossen durch, Kir Salmenikos«, lächelte Schermugan zurück, »und er tat es ohne Ansehung der Religion. Das müßten gerade Sie doch eigentlich zu schätzen wissen?«
»Wie sollte ich nicht? - Ich hätte die Leute natürlich ebenfalls aufgenommen.«
Sie hätten nur helfen brauchen, sie zu befreien«, sagte Schermugan trocken. »Die Pforte würde das begrüßt haben.«
»Man hätte mir dazu die Gelegenheit lassen müssen«, parierte Salmenikos sofort. »Aber unser Freund Osman ist etwas allzu stürmisch, obwohl er mit der Handvoll Leute, die er hinter sich hat, den Aufgaben seines Amtes recht wenig gewachsen ist. Mich dünkt, daß die Hohe Pforte ihm die Stellvertretung für seinen Vater Ertoghrul unter Voraussetzungen gab, die - mit Eurer kaiserlichen Hoheit Erlaubnis - nicht ganz zutrafen.«
»Bitte«, lud Alaeddin ihn zum Weiterreden ein.
»Es ist sehr die Frage, ob Ertoghruls ganze Macht heute noch zur Behauptung der Grenze ausreichen würde«, fuhr Salmenikos fort. »Wenigstens aber müßte es die ungeteilte Macht sein. Die jedoch besitzt Osman nicht - nicht einmal einen Teil. Ich will nicht sagen, daß Osman meinen erlauchten Herrn täuschte, es scheint mir vielmehr, er täuschte sich selbst. Sehr voreilig waren seine Hoffnungen auf die Nachfolge in der Häuptlingsschaft. Sein Bruder Sarujati erhebt ebenfalls Ansprüche, und er ist der Ältere. Nach dem unglücklichen Gefecht in Ermenibeli aber, an dem Sarujati sich durchaus nicht beteiligte . . .«
»Sarujati Sawedschi . . .?« unterbrach Schermugan. »Wissen Euer Edlen, daß sein Sohn Baichodscha im Ermenibeli fiel?«
»Der Tod dieses Knaben wird den Stamm nicht weniger als der Verlust des Gefechtes von Osman abwenden.«
»Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, meinte Schermugan. »Ich hörte, daiß Ghundus, der Bruder, und mehrere Alpe Ertoghruls sich Osman angeschlossen haben.« - »Sarujati ist nicht dabei.«
»Nein. Aber er muß den Tod des Sohnes rächen. Sarujati kann nicht länger beiseite stehen . . .«
»Und wird den Befehl verlangen!« warf Salmenikos ein. »Immer wird zwischen den beiden
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