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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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eigentlich so anziehend gefunden habe. Von all ihren Empfindungen für die einst so Begehrte war nichts mehr in ihr als ein Haß ohne jede Zärtlichkeit. - Scheu blickte sie zu ihrem Bruder auf.
    »Du wirst mir helfen, Taindschar . . .?« bat sie mit einem Vertrauen, das ihm schmeicheln sollte, und dabei gebrauchte sie, um leichter zu ihm zu dringen, trotz des Verbots den verpönten Namen. »Nur noch dies eine Mal!«
    Er faßte sie an den Schultern und zog sie zu sich hinauf.
    »Und wenn ich nicht siege . . . oder falle . . .?«
    »Taindschar!«
    ». . . dann kannst du auf die Meza gehen - auf den Strich«, schloß er, ungerührt von ihrem schwesterlichen Entsetzen.
    Aber wenn er etwa des Glaubens gewesen sein sollte, sie durch diese herbe Feststellung über Gebühr zu verletzen, so hatte er sich geirrt.
    »Auch nicht das Schlimmste«, meinte sie nach kurzem Besinnen. »Wenn eines dieser Mädchen nur schief angeguckt wird - gleich legen sich die Priester und Mönche ins Mittel, das weißt du doch selbst, und wenn man’s geschickt anfängt, kriegt man zuletzt noch einen reichen Mann.«
    Und damit hatte sie keineswegs unrecht. Seit der Zeit der Kaiserin Theodora, die in dieser Hinsicht eine gediegene Ausbildung genossen hatte, waren die öffentlichen Mädchen die verhätschelten Mündel der Kirche.
    »Einen Mann?« fragte Taindschar, weil ihm nicht viel anderes mehr übrigblieb. »Ich denke, du hast bereits einen?«
    »Manuel?« fuhr Daphne auf. »Den?! - Ich will ihn nicht mehr. Hörst du, Taindschar? Ich will ihn nicht mehr!«
    »Sagt sich leicht«, meinte Taindschar. »Aber nachher tut es dir leid um den Dicken, und dann könnte es zu spät sein, mein Kind.«
    »Nie, nie, nie!« rief sie und stampfte eigensinnig mit dem Fuß auf. »Nie wird es mir leid tun!«
    »Ich sage dir, du sollst dich vorsehen!« befahl er ihr schroff. »Deine Launen ein andermal. Heut bin ich nicht in der Stimmung.«
    »Und ich sag’ dir: schaff ihn mir vom Hals!« blieb Daphne unerbittlich. »Schaff ihn weg, Taindschar, ich hab’ ihn satt!«
    »Wenn du etwa glaubst, daß ich über den Kontophres so begeistert sei . . .«, wurde Taindschar schwankend . . .
    »Taindschar . . .«, bat Daphne und wagte sich dicht an den Bruder heran. Lange sahen die Geschwister sich in die Augen. Es waren die Augen, die sprachen.
    »Ernst?« fragte Taindschar.
    »Ernst«, sagte Daphne.
    Ein Gongschlag, und bis Manuel vorgeführt wurde, kein Wort. Dann ließ der Heteriarch Seiner göttlichen Majestät seinem Gefangenen die Ketten abnehmen, und die drei waren allein.
    Eine dröhnende Lache Manuels versuchte das eisige Schweigen zu brechen.
    »So besonders schön finde ich den Witz gar nicht, Schwager...«
    »Kein Witz«, durchschnitt Taindschar den Satz, um dann selbst fortzufahren: »Wie ich über Sie denke, Kir Manuel, brauche ich nicht mehr zu sagen. Auf meine Frage nach meinen zweihundertfünfzig Leuten wußten Sie keine Antwort. Um Ihnen eine neue Verlegenheit zu ersparen, will ich die Frage nicht wiederholen. Reden wir von etwas anderem.«
    »Daphne . . .«, wandte sich Manuel an seine Frau.
    Aber die ordnete nur mit einer Grimasse ihr Kleid, um anzudeuten, daß alles ausschließlich eine Angelegenheit Taindschars sei, über den sie im Augenblick keine Macht habe. Da ihr Bruder zugleich das Werben des Schwagers überhörte, war dessen Lage demnach so unangenehm wie nur möglich.
    »Ich werde die Dinge wieder in Ordnung bringen müssen«, sagte Taindschar. »Daß Sie Ihr Eskischehr verwirkt haben, werden Sie sich selbst sagen.«
    »Aber Schwager«, protestierte Manuel, »ich bin ein Kontophres! Seit Jahrhunderten haben wir . . .«
    »Verwirkt!« schrie ihn der andere an. »Mit keinem Fuß betreten Sie mehr die Stadt. Wenn ich erst siegreich in Bithynien siehe, werden die Archonten wohl zu ihrer Pflicht gegenüber der heiligen Majestät zurückfinden. Ich gedenke dann, Ihre Schwester Apollonia und damit die Asanes im Besitz zu bestätigen.«
    »Aber Daphne . . .«, stammelte Manuel. »Denken Sie denn gar nicht an Daphne?«
    »Meine Schwester lassen Sie meine Sorge sein. Ich werde sie mit Inöni entschädigen «
    »Ein Lausenest, dies Inöni!«
    »Dann mag sie mit den Mazaris tauschen. Auf diese Weise bekäme sie Melangeia oder, wie ihr sagt, Karadschahissar. Daphne, mein Herr, nicht Sie. Ob meine Schwester Sie dann noch in ihre Stadt läßt, mag sie allein entscheiden.«
    »So können Sie mich nicht behandeln«, empörte sich Manuel. »Schließlich bin ich

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