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Malefizkrott

Malefizkrott

Titel: Malefizkrott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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muss. Und du kommst jetzt sofort zurück!«
    »Hör mal, ich bin viel zu müde, um in einem Interre gio stundenlang die Geislinger Steige wieder runterzuzu ckeln. Ich ziehe es vor, damit zu warten, bis die Schnellbahnstrecke fertig ist.«
    »Ha, ha, sehr witzig! Dann werden euch die Ulmer Kollegen fahren müssen, willst du das?«
    »Warum so eilig? Lass uns doch die Nacht hier schlafen. Der Schütze ist uns nicht gefolgt, es sei denn, er könnte fliegen und hellsehen. Lola hat nicht einmal ihren Eltern mitgeteilt, wo wir hinfahren, noch wo wir jetzt sind. Außer dir weiß es niemand,«
    »Dann sollen euch die Ulmer wenigstens einen Mann vor die Tür stellen.«

 
     
26
     
    Lola saß mit halbgeschlossenem Haarvorhang auf einem der bräunlichen Stühle vor dem Tisch mit dem Fernseher und benagte ihre Unterlippe. Da hatte sich nun was ergeben, was sie in eine Zwickmühle brachte. Sollte sie sich wehren, wenn ich mich an sie ranmachte? Oder nicht? Was war besser, wenn alles darauf ankam, die Kontrolle zu behalten?
    »Heut passiert nix mehr, geh ins Bett«, sagte ich zur Klärung und ging ins Bad. Als ich wiederkam, lag sie unter der Decke. Die Betten waren gnädig durch ein Nachttischchen getrennt.
    Ich zog mir Hosen, Anglerweste und Shirt aus und stieg unter meine Decke. »Gute Nacht, Schätzelchen«, sagte ich.
    »Gute Nacht.« Es klang kläglich und einsam.
    Ich weiß nicht, ob sie schlief, ich ratzte wie üblich sofort weg, wachte aber gegen vier wieder auf und dachte Wahrheiten. Der Mann mit der Pistole ist identisch mit dem Massigen mit Russenmütze aus der Neuen Buchhandlung in Balingen. Er legt Feuer und schießt. Aber er will Lola nicht töten, noch nicht, sonst hätte er es gestern getan. Aber er verfolgt einen Plan. Er geht auf einem Weg, den Nino Villar und Lola ihm mit ihren Drohbriefen gewiesen haben, er ist der Buchhasser, sein Schwert sind Feuer und Kugeln, und er hat eine Mission.
    Nur welche?
    Mit Matthias Kern hätten wir es so einfach gehabt. Er hatte das nachvollziehbarste Motiv, Lola mit krankhaftem Neid zu verfolgen. Er war um seinen Lebenstraum betrogen worden: den Ruhm. Doch er hing in Krücken. Auch Ruben wäre gut geeignet gewesen. Der geknechtete Jün ger eines Missionars, seit Kindheit als Bücherwurm mit Le se-Rechtschreib-Schwäche gehänselt, der nie wirklich aus dem Bücherloch herausgekommen war und nun zum Befreiungsschlag ausgeholt hatte. Aber er hatte ein Alibi. Oder Michel Schrader, der übergeschnappte Vater, der den Geburtshelfer mimte, aber innerlich zerfressen war von Ruhmessucht und Hass auf seine Tochter, die sich mit leichter Hand nahm, was er sich in Jahrzehnten mit Fleiß und Disziplin nicht hatte erarbeiten können. Aber er hatte heute Abend auf der Bühne gestanden.
    Um einen dieser drei dingfest zu machen, bedurfte es sehr guter Polizeiarbeit. Man musste Rubens Alibi kna cken. Man musste nachweisen, dass Michel Schraders literarische Ambitionen beispielsweise in pornografischer Gebrauchsliteratur für den BDMS-Markt verlottert wa ren. Oder man konnte Matthias Kern eine Beziehung zu Horst nachweisen, dem Jugendfeind Durs Ursprungs in Sachen Frauen, der jetzt, von Kern als Killer bezahlt, späte Rache übte.
    Doch wer auch immer es war, wie bekam ich ihn unter Kontrolle? Momentan verfolgte er uns. Er kontrollierte uns durch die Angst, die er uns machte. Also musste es uns gelingen, ihn zu verfolgen. Ganz einfach!
    Beim Frühstück erklärte ich Lola meine Ideen der Nacht.
    »Cool!«, sagte sie. »Die Sommerferien beginnen eh übermorgen. Und ich war noch nie am Bodensee. Aber ich habe kein Geld.«
    »Ich habe ein bisschen was.«
    Solche Phrasen wie »Das kann ich nicht annehmen!« hatte das Mädchen noch nicht parat.
    »Aber du musst deine Eltern anrufen, dir die Erlaubnis holen und sicherstellen, dass sie es nicht als Entführung interpretieren.«
    »Kein Problem. Das ist denen total egal, was ich ma che. Meine Mutter fliegt am Wochenende wieder nach Rom und mein Vater besucht am liebsten Figurentheater und Kleinkunstbühnen in irgendwelchen Großstädten. Ich störe sie nur. Ich störe sie schon lange!«
    »Das glaube ich nicht, Lola. Du bist ihnen nur zu scharfsinnig geworden. Du schreibst, wovon sie gedacht haben, du bemerkst es gar nicht. Sie haben das unangenehme Gefühl, dass sie sich vor dir nicht mehr verstecken können.«
    Ihr Gesicht blühte auf. »Meinst du?«
    Vermutlich hatte sie noch nie Lob gehört. Ich weiß nicht, warum gerade die Akademiker ihren

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