Malefizkrott
Spülmaschine und abgeschlossene Räume, in denen die Millionenverträge verhandelt werden konnten.
»Was bist’n so garstig?«, begrüßte ich Richard.
»Bin ich das?«
Sein Blick war auf eine Gruppe devoter Männer gerichtet, in deren Mitte eine feingliedrige Dame mit eleganter Kurzhaarfrisur in Grau, einem schmal und kurz geschnittenen Boutiquenblazer und einem Rock, der über dem Knie endete, was sie sich leisten konnte, stand und redete.
»Ist sie das?«
Richard nickte.
»Erkennst du sie wieder?«
Er nickte erneut. Wir setzten uns, sein Kaffee kam. Mir wurde auch einer angeboten und gebracht.
»Ariadne möchte, dass ich für sie Krimis schreibe«, erzählte ich Richard.
Er nickte wiederum nur.
Wir warteten dann noch zwanzig Minuten. Unsere Verlagshostesse ging schließlich wispernd nachfragen. Endlich wurden Hände geschüttelt, der Kreis der Herren in dunklen Anzügen öffnete sich, und begleitet von einer Assistentin oder Pressesprecherin oder was auch immer näherte sich uns Marie Küfer als Kulturstaatsministerin Marianne Brandel mit für eine halbe Sekunde erschöpftem Blick, ehe er sich neu fokussierte.
Richard stand auf, höflich mit jeder Naht seines An zugs, aber nicht devot. Als wackrer Schwabe kannte er nur Be scheidenheit. Er wartete genau den Bruchteil einer Sekun de ab, die nötig war, der Staatsministerin die Initiation derBegrüßung zu überlassen, und reichte ihr seine Hand.
»Richard Weber. Guten Tag, Frau Staatsministerin.«
»Herr Dr. Weber, freut mich.« Marianne Brandel lächelte freundlich interessiert. »Ich muss gestehen, Ihr Brief hat mich schon etwas neugierig gemacht. Ich kann mir gar nicht denken, welches Buch ich Ihnen in meiner Studienzeit ausgeliehen haben könnte. Vielen Dank jedenfalls, dass Sie die Unbequemlichkeit auf sich genommen ha ben, hierherzukommen.«
»Keine Ursache. Frau Dr. Brandel, darf ich Ihnen mei ne Lebensgefährtin Lisa Nerz vorstellen?«
So kam es, dass die kultivierte Dame einem Biest wie mir die Hand schüttelte. Und sie war sich ihrer Überlegenheit nicht allzu sicher. Das machte sie mir sympathisch. Ihre Begleitung hieß Lucie Müller und war Referentin.
»Können wir kurz irgendwo …«, wandte sie sich an Frau Müller, die sofort Wege frei machte, Stühle beiseiteschob und das Hinterzimmer zwischen den Standwänden für uns eroberte. Während wir eintraten, auf Freischwingern aus Leder an einem Tisch Platz nahmen, auf dem Wasser, Kekse, Gummibärchen und Weintrauben standen, machten Richard und die Staatsministerin routiniert Konversation. »Man kommt ja kaum noch zum Lesen, leider! Aber der Urlaub, der gehört den Büchern. Lesen ist für mich lebenswichtig.«
Auf einen Wink der Staatsministerin hin verschwand Lucie Müller.
»Das ist das Buch«, sagte ich und legte Schloss und Fabrik in seinem melierten Einband mit Kapitalbändchen und ockerfarbenem Schnitt auf den Tisch.
Marianne Brandel schlitzte die Augen, suchte nach der Lesebrille und nahm es. Ein kurzer Blick genügte ihr, sie nahm die Brille wieder ab und schaute Richard fragend an. Mächtige Menschen reden nie übereilt los. Und diesmal hielt sogar ich die Klappe. Ich war viel zu gespannt, wie es Richard machen würde. Er tat es mit ruhiger Stimme.
»Frau Staatsministerin, wie schon in meinem Brief erwähnt, möchte ich noch einmal betonen, dass ich mich nicht als Staatsanwalt, sondern als Privatmann an Sie wende. Wir kennen uns aus unserer Studienzeit in Tübingen. Sie werden sich allerdings nicht an mich erinnern. Ich habe mich damals Rocky rufen lassen …«
»Ah!« Allmähliches Erkennen rauchte ihr ins Gedächtnis.
»Ich studierte Jura, Sie Anglistik und Germanistik. Ihr Kommilitone Wolfi hat mir in der Mensa bei einer hitzi gen Diskussion über politische Fragen einmal die Faust ins Gesicht geschlagen.«
»Daran erinnere ich mich. Sie sind das? … Oh!«
Richard lächelte fein. »Ja, ich fürchte, ich bin mir nicht mehr sehr ähnlich.«
Sie lächelte nachdenklich.
»Wir waren zusammen in Berlin«, fuhr Richard fort.
Marianne Brandels schmale Brauen zuckten gegeneinander.
»Ja, ich erinnere mich«, sagte sie langsam. Dann ent schied sie sich, die Regie des Gesprächs nicht dem Staatsanwalt zu überlassen, so privat er auch vor ihr sitzen mochte. »Das waren andere Zeiten, ja. Die Polizei hat auf Demonstranten eingeprügelt, man sah den Hass in ihren Gesichtern. Heute undenkbar. Ausrutscher gibt es natürlich immer. Aber man hat dazugelernt. Heute setzt die
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