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Malefizkrott

Malefizkrott

Titel: Malefizkrott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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eine Idee. Ursprungs Sohn war ja noch Buchhändler. Rubens Nummer stand nicht im Telefonbuch, aber er war in Facebook. Und weil ich mit einem seiner Freundinnen befreundet war – und zwar mit Lola Schrader, wie ich feststellte –, hatte ich Zugang zu seinem Profil und fand dort nicht nur seine E-Mail-Adresse, sondern auch seine Han dynummer.
    Es klingelte lange, bis er ranging. Etwas außer Atem. »Ja?«
    »Lisa Nerz hier«, sagte ich. »Sie kennen mich vermutlich nicht.«
    »Hm.«
    »Ich bin Journalistin.«
    »Ich gebe keine Interviews. Ich bin nicht mehr im Buchgeschäft.«
    »Oh! Was machen Sie denn jetzt?«
    »Ich lasse mich umschulen, zum … äh … Segelfluglehrer.«
    »Von Büchern restlos die Schnauze voll, was? Kann ich gut nachvollziehen. Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.«
    Er lachte kurz.
    »Nun ja«, faselte ich weiter, »ich hatte eigentlich gehofft, Sie hätten eine Eintrittskarte für die Frankfurter Buchmesse für mich übrig.«
    »Ach so, ja, äh, stimmt. Wahrscheinlich sind die Karten noch irgendwo. Ich müsste gucken, wo mein Vater sie hingelegt hat. Aber als Journalistin kommen Sie doch rein.«
    »Ich will aber noch jemanden mitnehmen.«
    »Ich werde mal schauen. Wie … wie kann ich Sie erreichen?«
    »Über Facebook. Und meine Handynummer haben Sie ja jetzt auf Ihrem Gerät.«
    Da schau her, dachte ich, nachdem ich das Gespräch beendet hatte, Ruben ein Segelflieger! Unter der Woche eingesperrt im Bücherkeller, am Wochenende über den Wolken. Aber war so was nicht ganz schön teuer? Dafür hatte Papa Durs Geld übrig gehabt? Wieder fiel mir ein, dass zwei Leute mir erzählt hatten, Durs Ursprung habe Vermögen gehabt, nämlich Oma Scheible – »Der Vater hat mit seiner Knopffabrik einen Haufen Geld gemacht« – und der Passant, den ich vor dem ausgebrannten Laden getroffen hatte. Ein kurzer Flug durchs weltweite Netz brachte weitere Informationen bei: Durs Ursprung war vor etlichen Jahren mal von einer linken Gruppe kritisiert worden, weil er von seinem Vater Vermögen geerbt hatte und es nicht in linke Projekte steckte, sondern an der Börse für sich arbeiten ließ. Ein Kapitalist! Und das vor dem Hintergrund, dass er als linker Buchhändler über Jahrzehnte die gesamte intellektuelle Linke in Haftung für seinen Laden genommen hatte, mit Alarmmeldungen, dass er demnächst schließen müsse, weil der Laden sich nicht mehr trage, mit Sammelaktionen und Versteigerungen alter Bücher. Durs Ursprung gefiel mir immer besser.
    Ich überlegte, ob ich Ruben noch mal anrufen sollte, um ihn zu fragen, was er erben würde. Wenn das kein gutes Mordmotiv war! Nur ergab sich daraus kein Motiv, auch Lola Schrader zu verfolgen und zu töten. Und der Angestellte von Magnus Villing hatte auch nichts mit Ursprungs Erbe zu tun. Außerdem war der Mann, dem ich in Friedrichshafen in die Augen geschaut hatte, nicht Ruben Ursprung gewesen. Aber der Mann, den ich im Fernsehstudio Baden-Baden für den Stalker gehalten hat te, war auch kein Stalker gewesen. Die Eigenschaft eines Phantoms ist es, dass es ein Trugbild ist, Betonung auf »Trug«.
    Akte zu! Nicht mehr darüber nachdenken! Die Polizei wird’s schon richten.

 
     
29
     
    Die Skyline von Frankfurt mit dem pyramidenhütigen Messeturm glitzerte im Morgenlicht. Wir rasten auf vielspuriger Autobahn darauf zu. Richard saß am Steuer und bemühte sich, seine Nervosität zu verbergen. Unter dem Ärmel seines maßgeschneiderten cognacfarbenen Anzugs lugte ein Manschettenknopf aus Platin hervor. Die Krawatte war so gut auf den Farbton von Hemd und Dreiteiler abgestimmt, dass es mir in den Augen wehtat. Richard pflegte anders als ich nicht stundenlang vor dem Schrank zu stehen und zu überlegen, in welcher Verkleidung er sich am besten gegen die Garstigkeiten des Lebens panzerte. Viel Auswahl hatte er als Mann, so wie er sich verstand, ohnehin nicht. Er hatte in jüngeren Jahren einmal festgestellt oder sich sagen lassen, dass Brauntöne ihn am besten kleideten, weil sie das eigenartig lichte Braun seiner asymmetrischen Augen und seines dichten Haars betonten, wobei er sich alle Varianten rötlicher Untertöne erlauben konnte, und seinen Kleiderschrank entsprechend gefüllt. Nun musste er nur noch hineingreifen und eine festgelegte Kombination herausnehmen. Schuhe besaß er nur fünf Paar, die Lauf- und die Tennisschuhe eingeschlossen.
    Es war ein sonniger, aber kalter Oktobertag. Cipión hatte beim Morgenspaziergang ein grünes Loch in

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